Nachgefragt | Der Dauergast: Joachim Wolbergs

Nachgefragt | Der Dauergast: Joachim Wolbergs

Joachim Wolbergs hat in der Stadtzeitung mehr Schlagzeilen gemacht als jeder andere. Zuletzt mit einem großen Kampf, der ihm viel Respekt einbrachte. Doch er scheint weiter in seiner eigenen Welt zu leben.

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Über niemanden hat die Regensburger Stadtzeitung in den letzten 35 Jahren so oft geschrieben wie über Joachim Wolbergs. Dabei spielen natürlich die Entwicklungen der letzten drei Jahre um die Korruptionsaffäre eine große, aber bei weitem nicht die alleinige Rolle. Die Schlacht, die Wolbergs dabei schlug, nötigte der Stadtzeitung großen Respekt ab. Wir müssen einräumen, dass auch wir manch anfänglicher Verlautbarung der Staatsanwaltschaft nicht so viel Glauben hätten schenken sollen. Dazu später mehr.

Gesetze umgehen, um Kittel zu verhindern

Immer wieder entlarvte die Stadtzeitung den nassforsch auftretenden Nachwuchsgenossen als Mann, der es nicht kann. Beispielsweise bei der Arbeiterwohlfahrt. Deren Vorsitz übernahm Wolbergs 1994, unter seinen Fittichen schrammte der Verband um Haaresbreite am Konkurs vorbei. Der war schon angemeldet, als in letzter Sekunde Rettung von außen kam.

Wolbergs nahm es mit Satzungen nie so genau. Vertrödelte gerne den Rechenschaftsbericht für die Alte Mälzerei. Einen Paukenschlag gab es 2008. Die Stadtzeitung wies Wolbergs Personalverschiebungen zwischen der städtisch geförderten Alten Mälzerei und dem Privatbetrieb Kulturspeicher nach. Außerdem erneut jahrelange Satzungsverstöße. Wolbergs räumte Personalrochaden gegenüber der „Mittelbayerischen Zeitung“ ein („es gab … immer wieder mal die ein oder andere Gelegenheit, wo sich Kulturspeicher und Alte Mälzerei unterstützten“). Die Staatsanwaltschaft ermittelte wegen Untreue, die Stadt untersagte Personalverschiebungen ausdrücklich. Seine Schludrigkeiten brachten Wolbergs damals aber noch keinen wirklichen juristischen Ärger ein. Doch die Stadtzeitung war Wolbergs oft auf den Fersen.

11 Am Startpunkt: Wolbergs zu Beginn seiner politischen Laufbahn.

Dafür wollte er sich an der Stadtzeitung und ihrem Verleger rächen, die ihn wohl zu oft durchschaut hatten. In einem Interview sagte er: „Sollte ich OB werden, würde ich Kittel niemals einen Auftrag erteilen. Und sollten mich Gesetze dazu zwingen, würde ich alles tun, um diese zu umgehen.“

Die Stadtzeitung fragte nach den Personalverschiebungen und Satzungsverstößen in der Alten Mälzerei, wie dieser Mann, der sich um bestehende Normen nicht kümmert, als Rathauschef eine Stadt führen will. Sie ahnte nicht, welch tragische Ereignisse Jahre später genau deshalb folgen sollten.

Im Juni 2016 gab die Staatsanwaltschaft bekannt, dass sie gegen Joachim Wolbergs und drei Regensburger Bauunternehmen ermittelt – wegen Vorteilsnahme und Vorteilsgewährung. Im OB-Wahlkampf 2014 sollen 618.000 Euro an Wolbergs‘ SPD-Ortsverein geflossen sein. In Einzelbeträge knapp unter 10.000 Euro gestückelt, um nicht im Rechenschaftsbericht der SPD veröffentlicht werden zu müssen.

Weitere Ermittlungen, so die Staatsanwaltschaft, hätten ergeben, dass in der Firma von Bauunternehmer Volker Tretzel sogar ein Strohmannsystem entwickelt worden sei, um die Herkunft der Spenden weiter zu verschleiern. 325.000 Euro soll er bis 2014 gespendet haben. Außerdem soll Tretzel noch in Wolbergs‘ Amtszeit als OB Spenden an seinen Ortsverein geliefert haben: 108.900 Euro im Jahr 2015 und 39.600 Euro im Jahr 2016, insgesamt knapp 150.000 Euro.

Es tauchte auch eine Mail auf, in der SPD-Fraktionschef Norbert Hartl Tretzel bittet, Änderungswünsche für die Neuausschreibung des Nibelungenkasernen-Areals zu markieren. Der Bauauftrag für das Gelände war zwar nach einer Ausschreibung schon vergeben, doch Wolbergs ließ die Ausschreibung wiederholen, weil andere Vergabekriterien angewandt werden sollten. Den Zuschlag für den auf 100 Millionen Euro geschätzten Auftrag bekam Tretzel.

Im Januar 2017 überschlugen sich die Ereignisse: OB Joachim Wolbergs wurde festgenommen, kam sechs Wochen in U-Haft. Wie Bauunternehmer Volker Tretzel und dessen Ex-Mitarbeiter Franz W., der laut den Ermittlern das Strohmannsystem aufgebaut haben soll. Wolbergs wurde vom Amt suspendiert. Im Juli 2017 erhob die Regensburger Staatsanwaltschaft in der Korruptionsaffäre Anklage gegen Wolbergs. Sie warf dem Rathaus-Chef Bestechlichkeit, wettbewerbsbeschränkende Absprachen bei Ausschreibungen, Vorteilsannahme und fünf Verstöße gegen das Parteiengesetz vor. Tretzel, Franz W. und Hartl wurden ebenfalls angeklagt.

11 Am Treffpunkt: Wolbergs als Geschäftsführer der Alten Mälzerei.

Die Staatsanwaltschaft ging davon aus, dass Wolbergs sich kaufen ließ. Er soll Tretzel die Nibelungenkaserne zugeschustert haben, weil der ihn mit Spenden versorgt habe. Außerdem soll Tretzel Wolbergs mit Renovierungsarbeiten und Preisnachlässen beim Kauf der Wohnungen für seine Mutter und Schwiegermutter geschmiert haben. Dafür soll sich Wolbergs dafür eingesetzt haben, dass Tretzel einen günstigen Kredit bei der Sparkasse bekam. Alles deshalb, damit sich Tretzel beim SSV Jahn, bei dem Wolbergs und Hartl im Aufsichtsrat saßen, weiter finanzkräftig engagiert.

Der große Kampf des Joachim Wolbergs

Dies verbreitete die Staatsanwaltschaft in ihren Pressemitteilungen. Und die Medien, auch die RSZ, berichteten. Denn die Staatsanwaltschaft galt als eine der Quellen, denen Journalisten vertrauen dürfen. Kaum jemand hatte Zweifel daran, dass die Ankläger einen derart hochprominenten Menschen niemals unter Anklage stellen würden, wären all ihre Vorwürfe nicht hieb- und stichfest. Wolbergs beteuerte zwar immer wieder seine Unschuld, aber – hallo, das war die Staatsanwaltschaft, die gegen ihn mit der ganz großen Keule vorging! 20 Monate war Wolbergs der Geächtete.

11 Am Höhepunkt: Wolbergs als OB.

Dann begann der Prozess. In dem gab Wolbergs alles – für ihn ging es auch um alles. Er kämpfte, er redete, schrie, vergriff sich mehrfach gegenüber den Staatsanwälten im Ton. Die Richterin duldete das, nach dem Geschmack mancher Prozessbeobachter zu sehr. Doch Wolbergs hatte allen Grund zu mitunter cholerischen Wutausbrüchen:

Denn der Staatsanwaltschaft brachen immer mehr Anklagepunkte weg: Der Kredit – laut Richterin „eine Nullnummer“. Die Übernahme der Renovierungsarbeiten – für Wolbergs nicht zu durchschauen, hatte er doch Teilrechnungen bekommen, ohne zu ahnen, dass Tretzels Firma die anderen Teile übernahm. Die Preisnachlässe bei den Wohnungskäufen – zum Lachen. Wolbergs’ Schwiegermutter zahlte den höchsten Preis verglichen mit ähnlichen Wohnungen, seine Mutter erhielt einen üblichen Rabatt. Die Spenden bis 2014 – keinerlei Auswirkungen auf Wolbergs‘ Amtsgeschäfte, als dritter Bürgermeister war er mit Baugeschäften nicht befasst.

Anklägervorwürfe wurden zerpflückt

Die Staatsanwaltschaft gab auch in anderer Hinsicht eine jämmerliche Figur ab: Gespräche aus der Telefonüberwachung wurden falsch verschriftet, Verteidiger- und intime Gespräche nicht gelöscht, dafür Telefonate, die Wolbergs entlastet hätten. Der führte einen fast schon heroischen Kampf gegen die bis auf drei Sitzungsvertreter anwachsende Staatsanwaltschaft, versuchte immer wieder, deren Anschuldigungen wortreich zu entkräften. Das Gericht glaubte ihm.

11 Im Brennpunkt: Joachim Wolbergs während der Ermittlungen der Staatsanwälte.

Richterin Elke Escher rügte die Staatsanwaltschaft scharf, sprach von „massiven Grundrechtsverletzungen“. Das Ermittlungsergebnis der Staatsanwaltschaft brach in vielen Punkten zusammen wie ein Kartenhaus. Selbst die Beweisaufnahme, so die Richterin, habe die Anklagebehörde ignoriert, die viereinhalb Jahre Knast für Wolbergs gefordert hatte. Stur habe sie an ihrer Meinung festgehalten und  Joachim Wolbergs nichts, aber auch gar nichts geglaubt. Die U-Haft, die Wolbergs erleiden musste, wäre nach den im Prozess gewonnenen Erkenntnissen nicht gerechtfertigt gewesen und damit wohl auch die Suspendierung nicht. Ein vernichtendes Urteil für die Staatsanwaltschaft, bei der nun eigentlich Köpfe rollen müssten. Der brutale Vorwurf, Wolbergs habe sich kaufen lassen, bestätigte sich jedenfalls nicht. Und da taucht dann wieder die Frage auf: Hängt nicht die ganze miserable Ermittlungsarbeit mit der schweren Wahrnehmungs-Erkrankung der damaligen Chefin der Staatsanwaltschaft zusammen, über die die Stadtzeitung exklusiv berichtete?

Trotzdem bleibt ein Urteil

Doch auch an Wolbergs blieb ein Makel: „Der Anschein der Käuflichkeit hat sich ergeben.“ Das reichte aus, um ihn wegen eines Korruptionsdeliktes schuldig zu sprechen – der Vorteilsannahme in zwei Fällen. Die Spenden von 2015 und 2016 hätte er nicht annehmen dürfen. Weil Wolbergs geglaubt habe, er dürfe sie annehmen, sei er aber einem Verbotsirrtum erlegen. Deshalb und weil er unter dem Verfahren litt – die U-Haft, die Vorverurteilung in der Öffentlichkeit, der politische, wirtschaftliche und zum Teil auch persönliche Ruin – verzichtete das Gericht auf eine Strafe.

11 Am Tiefpunkt: Joachim Wolbergs im Korruptionsprozess.

Wolbergs reagierte nach dem Urteil verständlicherweise sehr emotional: „Drei Jahre lang bin ich behandelt worden wie ein Stück Scheiße“, blaffte er Journalisten in die Mikrofone und Notizblöcke. „Die Staatsanwaltschaft glaubt, sie allein habe das Recht gepachtet!“ Die Wut auf die Ankläger – sie ist nach dem, was übrig blieb, mehr als nachvollziehbar. Und doch: Es bleibt eine Verurteilung. Wolbergs hätte sich als Oberbürgermeister juristischen Beistand einholen müssen, dass er es nicht tat, war eine für ihn typische Schludrigkeit. Die hatte diesmal Folgen.

Die Richterin machte mit ihrem Urteil auch deutlich: Wolbergs ging straffrei aus, weil sich die Staatsanwaltschaft in ihrem Jagdeifer vergaloppiert hatte. Hätte sie mit mehr Augenmaß ermittelt und Entlastendes berücksichtigt, wäre Wolbergs wohl nicht straffrei ausgegangen. Er hat trotzdem Revision eingelegt und will sich zur Not ins Amt klagen. Obwohl es noch weitere Verfahren gegen ihn gibt, das im Zusammenhang mit Spenden vom Immobilienzentrum startet im Oktober.

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Der Mann ist schwer gezeichnet

Die letzten drei Jahre haben Joachim Wolbergs schwer gezeichnet. Das Verfahren hat ihm schwer zugesetzt. Körperlich, finanziell, psychisch. Sein Erbe ist dafür draufgegangen, er ist angeschlagen. Und auf Menschen, die am Boden liegen, schlägt die Stadtzeitung nicht ein. Das hat sie oft genug bewiesen. (hk/ssm)

 


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