
Jubiläum | Serie V: Der Jahn von unten
Dauerfan: Franz Preuss in seiner Jahn-Bar.
Die Stadtzeitung begleitete den Traditionsverein in seiner ersten Zweitligasaison ein Jahr lang aus ungewöhnlichen Perspektiven.
Ja, anders. Aber wie? „Mehr aus Fan-Sicht“, meint der Verleger. Die oftmals sträflich vernachlässigte Sportredaktion hat die zündende Idee: „Der Jahn von unten“ wird die Serie heißen. Geschrieben wird über Fans, darüber, wie Fans ankommen, was sie hinterlassen, wie sie nerven, wie sie begeistern.

Rot-weiße Verbrüderung: Düsseldorfer Anhänger geben Jahn-Fans ein Bier aus.
Der größte und der allergrößte Fan
Da werden der größte und der allergrößte Jahn-Fan porträtiert. Patrick Heindl (27), der jedes Ergebnis kennt. Der in seinem Job als Altenpfleger schon mal blau macht, wenn es zum Auswärtsspiel nach Osnabrück oder Hamburg geht. Der sich von seiner Freundin trennt, weil sie „Event-Fan ist“ und der pro Saison einen Tausender in seine Liebe zum Jahn investiert: in Eintrittskarten, das Deutschlandticket für 35 Euro für auswärts, Bier und Bratwurst im Stadion und das Sky-Abo für die Spiele, die er nicht im Stadion sieht.
Oder Franz Preuß (63), der seit 50 Jahren auf den Jahnplatz geht, auch wenn der jetzt Continental-Arena heißt. Der sein Haus im Fußenberger Wasserwerk in ein regelrechtes Jahn-Museum umgestaltet hat. Mit mindestens einem Trikot für jedes Jahr Leiden und Hoffen mit Rot-Weiß. Mit Wimpeln, Spielplakaten, Autogrammkarten. Der seit Jahrzehnten Auswärtsfahrten organisiert und im Keller eine Jahn-Bar hat, in der schon die komplette Mannschaft auftauchte („mit dem Basler als Trainer vorneweg“). Und der nicht mehr jedes Spiel sehen kann, seit sie ihm den Fuß abgenommen haben und er bei Kälte große Schmerzen hat: „Das legendäre 4:3 gegen Düsseldorf nach 0:3 musste ich zu Hause fertig schauen. In der Halbzeit bin ich heim, weil mir alles weh tat.“ Trotzdem ist er bei jedem Spiel zum Anpfiff dabei.

Applaus: Jahn-Anhänger sorgen für beste Stimmung im Max-Morlock-Stadion.
Nervtöter und Stimmungsmacher
Die Serie geht auch kritisch mit den Fans um. Mit Ultras, die glauben, sie dürften die Unterstützung der Rot-Weißen für sich allein beanspruchen. Als Erfüllungsgehilfen derer, die zu gerne volle Stadien und gute Stimmung herzeigen, um mit der Ware Fußball Geld zu machen.
Fans als Kulisse – das beginnt mit den „Einpeitschern“ der Ultras. Zwei leicht übergewichtige Megafonschwinger geben von einer Staffelei aus den Ton an. Das klingt durch ihren unpassenden Sprechverstärker schrecklich quäkend bis jämmerlich jaulend. Die Einpeitscher stehen mit dem Rücken zum Spielfeld, sie bekommen vom Spiel wenig mit.

Das offenbart in bestimmten Momenten eine fast schon großartige Peinlichkeit. Statt den Jahn bei einem Rückstand nach vorne zu peitschen, mit einem schneidenden, anfeuernden „Ess-Ess-Vau“, erfolgt ein Singsang vom Schwimm- und Sportverein, der immer die große Liebe sein wird. In schwerer Zeit und in tiefer Not. Das haben die Einpeitscher offenbar gerade auf der Playlist. Leider folgen ihnen zu viele bedingungs- und leider auch kritiklos. Einfach nur ein gruseliger Singsang. Emotionslos, einschläfernd, aber einstimmig.
Ganz anders die 2.500 Fans, die den Jahn an einem eiskalten Januar-Dienstag zum völlig verdienten 2:2 beim großen 1. FC Nürnberg trugen. Im Max-Morlock-Stadion waren die Anhänger des SSV stets auf Ballhöhe, peitschten ihre Mannschaft nach vorne, wenn es nötig war, feierten sie, wenn es das Spiel zuließ. Da war nichts vom „Schwimm- und Sportverein“, der an völlig unpassender Stelle „immer meine Liebe sein“ soll. Auch wohltuend: In einer Verletzungspause konnten die Leute die Klappe halten. Um dann im richtigen Moment einzusetzen: „Achtzehnhundertneunundachtig hey, hey.“ Großartig.
Richtig lustig wurde es auf der Heimfahrt im Sonderzug nach Regensburg. Als der Schaffner die Tickets der Fans überprüfen wollte, wurde er mit Sprechchören überhäuft: „Hey, hey, Super-Schaffner, Super-Schaffner!“
Die Kaiserslauterer Stadionzeitung „Hämspiel“ war sogar regelrecht begeistert von den Jahn-Anhängern: „Die Oberpfälzer sind von einem unerwartet großen Gästeanhang (ca. 1.000), von dem knapp die Hälfte mit dem ersten Sonderzug der Vereinsgeschichte angereist war, unterstützt worden. Zum Einlaufen zeigte der Gästeblock ein Intro mit roten Luftballons und ein paar rot-weißen Schwenkfahnen, welche auch noch fast über die gesamte Spieldauer zum Einsatz kamen. Abgerundet durch die roten Fischerhüte, sah das schon ordentlich aus.“
Die beste Auswärtsfahrt aus Sicht der Jahnfans dürfte trotz der 0:1-Niederlage die nach Düsseldorf gewesen sein: Die Fortunafans gaben allen 169 an einem Mittwochabend ins Rheinland gekommenen Regensburgern ein Altbier aus.

Mein Platz: Patrick Heindl zeigt seine Liebe zum SSV im ersten Teil der Serie.
Keine Kneipe, trotzdem rockt der Jahn die Welt
Das Sympathische an den Jahnfans bleibt die Liebe zum alten Jahnstadion. Niemals würden sie die neue Arena so nennen, der das Herzstück fehlt – eine Wirtschaft. Warum eigentlich? Die Stadtzeitung findet keine Antwort. Alle Fans wollen eine; selbst Martin Gottschalk, Sprecher der für das neue Stadion verantwortlichen Stadtwerke, findet eine Fankneipe „keine uncharmante Idee.“ Sie sei halt nur nicht vorgesehen. Platz für eine Holzhütte wie vor dem Ingolstädter Sportpark wäre aber da ...

Die Kehrseite
Die Stadtzeitung steigt auch ganz nach unten und geht mit dem Putztrupp auf Tour, der das Stadion nach den Spielen säubert. Dreck ist überall. Zigarettenkippen, Senf, Ketchup, Pommesschalen. Am schlimmsten ist es immer im Gästeblock. Die Reste der Bengalos schafft der Hochdruckreiniger. Doch die Auswärtsfans machen sich einen Spaß daraus, Toiletten zu verstopfen. Da läuft alles über, was normalerweise runtergespült wird. Ekel dürfen die Putzmänner nicht verspüren ...
Der besondere Teil
In einer Ausgabe widmet sich die Serie dem Jahn ganz anders von unten. Sie blickt auf den Amateurbereich des Vereins. Und dabei auf einen Schiedsrichter. Vinod Dhanraj (29) pfeift seit drei Jahren für den SSV. Das macht er so gut, dass er schnell in die Kreisliga Regensburg aufgestiegen ist – als erster pfeifender Inder!
Die Geschichte über den Siemens-Ingenieur als Unparteiischer kommt an – so sehr, dass selbst der DFB bei der Stadtzeitung nach der Erlaubnis zum Abdrucken der Fotos fragt und ein Porträt des Schiris im Internet veröffentlicht ...
Im Mai 2018 erscheint wie geplant der letzte Teil der Serie. Doch ganz anders als vorhergesagt steigt der Jahn nicht ab, beendet die Zweitligasaison sogar als Fünfter. Und die folgende als Achter. Die aktuelle Saison ist die dritte aufeinanderfolgende im Unterhaus.
Hoffentlich folgen weitere, dann könnte die Stadtzeitungsserie glatt wieder aufleben. Titel des ersten Teils: Wunder, an die niemand glaubte. (ssm)

Jahn-Schiedsrichter: Vinod Dhanraj ist der erste Inder, der in der Kreisliga pfeift.
Die „Nachgefragt“-Reihe
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- 26.09. Angstraum Regensburger Bahnhof?
- 20.09. Regensburger Vergewaltiger bleibt auf freiem Fuß – wurde er jetzt von aufgebrachten Bürgern verprügelt?
- 15.09. Bayern vor der Schicksalswahl – die Regensburger Direktkandidaten und ihre Positionen
- 05.09. Regensburg drangsaliert Wirtshäuser – Ausschankstopp für Kneitinger „Unter den Linden“
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- 25.08. Straftat in Kreis Kelheim – Täternationalität verschwiegen?
- 18.08. Selbstzensur bei der Polizei? Täternationalität wird verschwiegen
- 09.08. Das Staatsgeheimnis: Knapp 280.000 ausreisepflichtige Migranten in Deutschland – was kosten die eigentlich?
- 08.08. Nicht mal fünf Euro für drei Mahlzeiten? – Der Verpflegungsskandal in den Altenheimen
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- 22.05. Auflösung: Was zum Teufel ist das für ein Stollen? (Regensburger Unterwelten)
- 08.05. Was zum Teufel ist das für ein Stollen? (Regensburger Unterwelten)
- 02.05. Schmierer-Welterbestadt Regensburg?
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- 24.01. Martyrium für den Denkmalschutz? Prof. Egon Greipl vom Bayerischen Staat in den Ruin getrieben
- 24.01. Grüne fallen um, Containerdepot ist auf dem Weg
- 24.01. Nach Insiderinfo: Grüne stehen mal wieder vorm Umfallen
- 22.01. Kippt Projekt Containerdepot? CSU will Anwohner und Natur vor Flächenfraß schützen
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- 26.10. Ist zerstörte Natur zu ersetzen? (Flächenfraß in Regensburg, Teil III/III)
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- 23.09. Wolfgang Haarer: Rock ʼnʼ Roll und Eskapaden
- 23.09. Baumkiller „Sportpark Ost“? (Flächenfraß in Regensburg, Teil II/III)
- 19.09. Containerdepot der Bahn sorgt für Protest (Flächenfraß in Regensburg, Teil I/III)
- 13.09. Kunst darf alles – in Regensburg nicht?
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- Endlich Wahlen! – die Kommunalwahl in Regensburg
- Der Bürger will mitreden (Bürger, wehrt Euch!, Teil VI)
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- Erich Gohl: Was schiefgeht, hängt nicht
- Gehört die Stadt den Radl-Rambos? (Bürger, wehrt Euch!, Teil V)
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- Die Stadt mal wieder voll daneben (Bürger, wehrt Euch!, Teil IV)
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Nachgefragt:
- Dauerkarte I: Der Dauergast: Joachim Wolbergs (Korruptionsaffäre)
- Dauerkarte II: Der Abkassierer: Norbert Hartl
- Dauerkarte III: Unger, Unger immer wieder Unger!
- Die Baumpaten und das ökologische Bewusstsein der Stadtzeitung (RKK)
Die RSZ feiert 35-Jähriges! Mehr Artikel aus der Jubiläumsausgabe hier und nachfolgend:
- 1984
- Beamte, Busen, Paragraphen
- Die Goldgräberstimmung
- Schöne und nackte Mädchen
- Kurioses aus dem Anzeigenverkauf
- Der Kunde, der nie mehr kam
- Dauerkarte I: Der Dauergast: Joachim Wolbergs (Korruptionsaffäre)
- Dauerkarte II: Der Abkassierer: Norbert Hartl
- Peter K. und sein geheimnisvolles Buch
- Konservativ und unkonventionell
- Serie I: Regensburg – wie wir wurden, was wir sind
- Serie II: Besondere Plätze in Regensburg
- Das Scharfgericht für die Wirte
- Anekdoten aus 35 Jahren Regensburger Stadtzeitung
- Die Baumpaten und das ökologische Bewusstsein der Stadtzeitung (RKK)
- Serie III: Wie aus einer anderen Zeit
- Die Maulhelden und ihre Bücher
- Serie IV: In aller Herren Länder
- Serie V: Der Jahn von unten
- Die großartige Fußballkarriere der Stadtzeitung
- Die Stadtzeitung im Osten
- Der Mann, aus dem was wurde: Ulrich Lechte
- Die Frau, aus der was wurde: Juliette Greco
- Best-of Profile & Parolen
- Dauerkarte III: Unger, Unger immer wieder Unger!
- In & Out: Rückblick
- Der Veranstaltungsservice: Alles begann mit dem Bürgerfest
- Derblecken à la Regensburg
- Als der Papst kam
- Vom Sommerfest zum Truthahnfest
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- Wirbel um neue Taxi-App (Bürger, wehrt Euch!, Teil III)
- Außen pfui, innen – naja
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- Zwischen Knast und Freispruch (Korruptionsaffäre)
- Und sie schämen sich doch! (Bürger, wehrt Euch!, Teil II)
- Ein Mann und seine Welt
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- Nach Pleiten, Pech und Pannen: Showdown im Wolbergs-Prozess (Korruptionsaffäre)
- Grün kaputt in Kumpfmühl (Bürger, wehrt Euch!, Teil I)
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- Der gebrochene Mann (Korruptionsaffäre)
- Faule Tricks mit unseren Bäumen – kommt Stadthalle über die Hintertür? (RKK)
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- Gewogen und für zu leicht befunden? (Korruptionsaffäre)
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- Der Artikel, der bundesweit Wellen schlägt: Was ist los bei der Staatsanwaltschaft? (Korruptionsaffäre)
- Personalie Becker (Korruptionsaffäre)
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- Es bleibt – eine Tragödie (Korruptionsaffäre)
- Liebe, Bedingungslos (Korruptionsaffäre)
- Ein Ordnungsamt komplett daneben
- Bürger fordern: Stoppt das RKK-Monster! (RKK)
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- Neuer Ausschreibungsskandal um Mauschelein im Stadion? (Korruptionsaffäre)
- 600.000 Euro unterschlagen?
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- Joachim Wolbergs – eine Tragödie (Korruptionsaffäre)
- Und das wollt ihr alles zerstören! (RKK)
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- Wolbergs-Affäre – Walter tritt aus SPD aus (Korruptionsaffäre)
- Stadthalle: Der Widerstand wächst (RKK)
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- Anklage da! (Korruptionsaffäre)
- „Süddeutsche Zeitung“ weiter im Sinkflug
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- Wolbergs: Jetzt gehts los! (Korruptionsaffäre)
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- Der peinliche Sozi kapiert es nicht (Korruptionsaffäre)
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- Extra-Wurst für den OB a.D. (Korruptionsaffäre)
- Hartl, verschwinde! (Korruptionsaffäre)
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- Ein Mann und seine eigene Welt (Korruptionsaffäre)
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- Wie lange noch? (Korruptionsaffäre)
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- Spendenskandal (Korruptionsaffäre)
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- gepostet am: Sonntag, 01. September 2019