Nachgefragt | Die stillen Helden der Krise

Nachgefragt | Die stillen Helden der Krise

Seit dem 21. März um 0 Uhr besteht die Ausgangsbeschränkung in Bayern. Für Manche hieß es schon vorher: Homeoffice. Für Viele heißt es aber: weitermachen, durchhalten. Draußen. Direkt im Geschehen. Wer hält auch während der Krise die Stellung direkt am Menschen und hilft so mit, sie zu meistern? Die Stadtzeitung besuchte stille Helden in und um Regensburg an ihrem Arbeitsplatz. Eine Momentaufnahme.

- Anzeige -

Bild: Er muss weiterarbeiten – und das nicht zu kurz.

Bild: Er muss weiterarbeiten – und das nicht zu kurz.

Moritz Schübler
(40) Apotheker in Laaber

Nach wie vor kommt er meist mit dem Auto, oft aber auch mit dem Zug zur Arbeit. Ansteckungsgefahr? Das sei für ihn kein Problem, denn die Züge seien entsprechend leer. „Die Infektionsgefahr ist dort als gering einzuschätzen“, sagt er. In der Apotheke trennt nun eine Glasbarriere die Kunden von den Angestellten. Desinfektionsmittel – deutschlandweit völlig vergriff en – wird nun selbst hergestellt. Er muss weiterarbeiten – und das nicht zu kurz. Er hat keine Angst, selbst krank zu werden. Dafür wirkt er zu geschäftig. „Die sozialen Kontakte nach der Arbeit fallen ja ohnehin aus“, meint er lakonisch. Trotz des enormen Drucks bleibt er stoisch und sagt: „Grundsätzlich hat sich in meinem Beruf nicht viel verändert. Wir helfen Menschen.“

Bild: Zwei Döner in einer Schicht? – „Ich verliere alles“, sagt er.

Bild: Zwei Döner in einer Schicht? – „Ich verliere alles“, sagt er.

Ali Safdar
(50) Selbstständig (Dönerladen in den Arkaden)

An Alis Dönerbude, sonst beliebter Treff punkt, herrscht gähnende Leere. Tapfer hält er aus und wartet auf Kundschaft. In einer Schicht verkauft er etwa zwei Döner. Der Rest landet dann auf dem Müll. Auf die Frage, wie er sich fühle, antwortet er: „Schlecht.“ Gerade erst hat er seinen Laden umgebaut und die Geräte erneuert. Und dann kommt Corona. Jetzt muss er den Kredit abbezahlen – doch womit? „Die Miete bezahlt sich auch nicht von alleine!“, resümiert er nachdenklich. Doch die Hoff nung stirbt zuletzt. Vielleicht verirren sich ja doch noch ein paar Kunden zu ihm. Er lacht. Die freundliche Miene des Verkäufers verrät keine Verzweifl ung, aber seine Worte sprechen Klartext: „Ich verliere alles.“

Bild: „Ich genieße die totale Entschleunigung“, sagt er melancholisch.

Bild: „Ich genieße die totale Entschleunigung“, sagt er melancholisch.

Wolfgang Faerber
(57) Selbstständiger Unternehmer (Taxi/Reisebus am Bahnhof Regensburg)

Ähnlich katastrophal klingen die Zahlen im Nah- und Fernverkehr: „Meine Umsätze mit dem Reisebus sind um 100 % gesunken. Beim Taxi sind das etwa 80–90 %.“ Aber er macht weiter – was bleibt ihm denn übrig? Die Freizeit ist sowieso dahin: Im Frühling ein nettes Straßencafé besuchen und einen Kaff ee oder ein Glas Wein genießen – das war einmal. Trotzdem will er dem Ganzen noch etwas Positives abzugewinnen: „Ich genieße die totale Entschlenigung“, sagt er. Und faltet sich ein melancholisches Lächeln ins Gesicht.

Bild: „Panik hilft nicht.“

Bild: „Panik hilft nicht.“

Hubert Kammerer
(59) Fahrer im Menüservice (Malteser)

In ihm breitete sich von Anfang an eine gewisse Beklemmung aus. „Es ist auch ein anderes Gefühl, beim Fahren maskiert zu sein“, beschreibt er seinen Alltag. „Manche sagen: ‚Wir haben den Krieg überlebt‘ und verstehen die Situation nicht.“ Aber Handschuhe und Gesichtsmasken sind notwendig, um die Menschen zu schützen, vor allem die Risikofälle, die der Dienst Malteser Menüservice auch beliefert. Dennoch ist sein Grundgedanke: „Panik hilft nicht. Aber man muss zusehen, dass man sich an die vorgegebenen Regeln hält, die auch sinnvoll sind.“ Freigestellt wird er in dieser Krise natürlich nicht. Aber das sieht er als Vorteil, weil er dann nicht daheim sitzen muss. So sorgt er auch weiterhin dafür, dass alles Notwendige dafür getan wird, damit auch die versorgt bleiben, die nicht mehr einkaufen können.

Bild: Sabrina Meier im Italien-Urlaub. Da war die Welt noch in Ordnung. Jetzt kämpft sie Tag für Tag um das Leben von Menschen.

Bild: Sabrina Meier im Italien-Urlaub. Da war die Welt noch in Ordnung. Jetzt kämpft sie Tag für Tag um das Leben von Menschen.

Sabrina Meier
(24) Gesundheits- und Krankenpflegerin

Ähnlich geht es in den Pflegeberufen zu. „Man geht seit dem Bekanntwerden des Covid-19-Virus viel angespannter in die Arbeit.“ Aber sie versucht, ruhig zu bleiben und deeskalierend auf Patienten und Angehörige einzuwirken. Manchmal fürchtet sie sich auch selbst, sich angesteckt zu haben. „Leider wird nicht sofort ein Corona-Abstrich gemacht.“ Durch die Ausgangsbeschränkung ist sie in ihrem Privatleben sehr eingeengt. „Arbeiten muss ich im Pflegeberuf weiterhin“, sagt sie.

Bild: „Man bleibt vor allem zu Hause, um auf die Anderen achtzugeben.“

Bild: „Man bleibt vor allem zu Hause, um auf die Anderen achtzugeben.“

Mert Yavuz
(20) Azubi zum Kaufmann im Einzelhandel (Presseartikel im Regensburger Bahnhof)

Die anderen Mitarbeiter sind in Kurzarbeit. Er steht hier alleine. „Offensichtlich fehlen die Kunden“, kommentiert er. Und nach der Arbeit? Zum Basketballspielen kommt er nur noch selten – und wenn, dann alleine. „Man bleibt vor allem zu Hause, um auf die Anderen achtzugeben – vor allem, wenn man Opis und Omis hat.“

Bild: „Statt zwei Schachteln Zigaretten kauft man vier oder sechs; statt einer Zeitung drei.“

Bild: „Statt zwei Schachteln Zigaretten kauft man vier oder sechs; statt einer Zeitung drei.“

Florian Böhm
(38) Selbstständig (Post-Partnerfiliale in Laaber)

Auch er steht meist alleine in seinem Laden. Aber er garantiert Grundversorgung und hält das Geschäft offen. Er sorgt sich. Zu Hause sollen die Kinder nicht zu den Großeltern. Das fällt allen schwer. „Viele nehmen das immer noch nicht so ernst, wie sie es sollten“, sagt er. Auf der Arbeit ist es ruhig. „Es gibt weniger Kundschaft, die dann aber mehr kauft. Statt zwei Schachteln Zigaretten kauft man vier oder sechs; statt einer Zeitung drei.“

Bild: Die Bäckerei ist leer. Aber sie behält ihren gesunden Optimismus.

Bild: Die Bäckerei ist leer. Aber sie behält ihren gesunden Optimismus.

Bettina Sing
(21) Bäckereiverkäuferin in den Arkaden

Auch in der Bäckerei ist nichts los. Frische Lebensmittel scheinen in der Krise nicht so gefragt. Dann und wann kommt mal ein Kunde. Im Café darf sich niemand mehr aufhalten. Auf die Frage, wie es ihr geht, antwortet sie fröhlich: „Super!“ Sie trotzt der Krise mit jugendlicher Unbekümmertheit.

Bild: Teamwork und gute Organisation halten in der Krise die Moral hoch.

Bild: Teamwork und gute Organisation halten in der Krise die Moral hoch.

Nico Kelnhofer
(25) Azubi zum Veranstaltungskaufmann (Regensburg Lieferservice)

Und es geht natürlich auch ganz anders: Bei ihm hat sich das Berufsbild komplett gewandelt, weil sein Beruf als Veranstaltungskaufmann zur Zeit nicht mehr möglich ist. Die Regensburg Events GmbH (die z. B. das Weissbräuhaus oder den Ratskeller betreibt) hat die Krise als Chance genutzt und den Regensburg Lieferservice bei Verkündigung der Ausgangsbeschränkung ins Leben gerufen. „Seitdem bin ich fast nur noch Lieferdienstfahrer.“ Und auch das Konzept passt: Die Ausfahrer kommen nie mit verpacktem Essen in Kontakt: Vakuumverpackung in der Küche, in die Tüte, dann zum Ausfahrer, dann in Wärmeboxen, dann Handschuhe an und zum Kunden, dann Hände desinfizieren, zurückfahren, Handschuhe aus und wieder desinfizieren. Natürlich darf der Mundschutz nicht fehlen. „Wir haben hier ein super Team zusammen“, sagt er zufrieden. „Natürlich muss ich mich besonders schützen, da ich viel Kundenkontakt habe.“ Trotzdem wäre er definitiv nicht gerne im Homeoffice.

- Anzeige -

Tausende Menschen müssen Tag für Tag raus, oft ihre Gesundheit riskieren und in der Krise in der ersten Reihe stehen, damit die Versorgung der Menschen aufrechterhalten werden kann. Viele davon dürfen wir nicht interviewen – Unternehmen und Institutionen wie Polizei, Kaufland, DM, Agilis etc. wirken angespannt. Machen konzentriert ihren Job. Keine Zeit für Dinge, die es zum Funktionieren nicht braucht. Denn was noch kommt und wie alles ausgeht, erscheint ungewiss. Derweil halten die kleinen Angestellten jeden Tag die Stellung und die kleinen Unternehmen kämpfen weiterhin tapfer ums Überleben. (lnw)

 


Die „Nachgefragt“-Reihe

  • Tags:
  • gepostet am: Mittwoch, 01. April 2020

Magazin weitere Artikel

Nachgefragt | Die Verhinderung von Brosius-Gersdorf – Eine Sternstunde der Demokratie

Nachgefragt | Die Verhinderung von Brosius-Gersdorf – Eine Sternstunde der Demokratie

Brosius-Gersdorf kann ihre linke Positionierung nicht wegblenden. Die Zweifel an ihrer Eignung zur unabhängigen Verfassungsrichterin bleiben.

>> weiterlesen

Nachgefragt | Angstraum Diskothekenviertel? – 27-jähriger Afghane zusammengeschlagen

Nachgefragt | Angstraum Diskothekenviertel? – 27-jähriger Afghane zusammengeschlagen

Während sich der berüchtigte Regensburger Bahnhof noch mit Kameras und Polizeipräsenz von seinem Status als Angstraum erholt, scheint sich die Kriminalität immer weiter ins Diskothekenviertel zu verlagern.

>> weiterlesen

Tipps für Veranstaltungen

Tipps für Veranstaltungen

Auszüge aus dem umfangreichen Veranstaltungskalender von Regensburg und der Region.

>> weiterlesen

22. Töpfermarkt beim Prösslbräu

22. Töpfermarkt beim Prösslbräu

16./17.08., Adlersberg

50 Aussteller aus ganz Deutschland, Bayern und der Region präsentieren hier ihre Arbeiten.

>> weiterlesen

Top 111 Upcoming Public Speakers 2025

Top 111 Upcoming Public Speakers 2025

Hörakustikmeister, Bachelor Professional of Hörakustik und BDSH-geprüfte Sachverständige Bernd Dotterweich wurde von Expertenportal als einer der Top 111 Upcoming Public Speakers 2025 ausgezeichnet.

>> weiterlesen

In & Out | Respekt! CSU verhindert Berufung von extrem linker Verfassungsrichterin

In & Out | Respekt! CSU verhindert Berufung von extrem linker Verfassungsrichterin

Die CSU durchkreuzte den Plan der SPD, die ebenso umstrittene wie extrem linke Juristin Frauke Brosius-Gersdorf zur Bundesverfassungsrichterin zu ernennen.

>> weiterlesen

Nachgefragt | Update: Stadt Regensburg will mächtige Eiche fällen – Bürger, wehrt euch!

Nachgefragt | Update: Stadt Regensburg will mächtige Eiche fällen – Bürger, wehrt euch!

Eine mächtige, alte Eiche soll gefällt werden. Es wird Zeit, dass der Eigentümer den Baum Baum sein lässt.

>> weiterlesen

Nachgefragt | Badegäste geschockt: Parasitenwarnung am Roither See!

Nachgefragt | Badegäste geschockt: Parasitenwarnung am Roither See!

Abenteuer Badengehen: Im Fluss lauert der Waller, im See der Wurm.

>> weiterlesen

Nachgefragt weitere Artikel

Nachgefragt | Die Verhinderung von Brosius-Gersdorf – Eine Sternstunde der Demokratie

Nachgefragt | Die Verhinderung von Brosius-Gersdorf – Eine Sternstunde der Demokratie

Brosius-Gersdorf kann ihre linke Positionierung nicht wegblenden. Die Zweifel an ihrer Eignung zur unabhängigen Verfassungsrichterin bleiben.

>> weiterlesen

Nachgefragt | Angstraum Diskothekenviertel? – 27-jähriger Afghane zusammengeschlagen

Nachgefragt | Angstraum Diskothekenviertel? – 27-jähriger Afghane zusammengeschlagen

Während sich der berüchtigte Regensburger Bahnhof noch mit Kameras und Polizeipräsenz von seinem Status als Angstraum erholt, scheint sich die Kriminalität immer weiter ins Diskothekenviertel zu verlagern.

>> weiterlesen

Nachgefragt | Update: Stadt Regensburg will mächtige Eiche fällen – Bürger, wehrt euch!

Nachgefragt | Update: Stadt Regensburg will mächtige Eiche fällen – Bürger, wehrt euch!

Eine mächtige, alte Eiche soll gefällt werden. Es wird Zeit, dass der Eigentümer den Baum Baum sein lässt.

>> weiterlesen

Nachgefragt | Badegäste geschockt: Parasitenwarnung am Roither See!

Nachgefragt | Badegäste geschockt: Parasitenwarnung am Roither See!

Abenteuer Badengehen: Im Fluss lauert der Waller, im See der Wurm.

>> weiterlesen

Nachgefragt | Aufwertung des Stadtostens – steht der Müll im Weg?

Nachgefragt | Aufwertung des Stadtostens – steht der Müll im Weg?

Am Wendehammer in der Dieselstraße gibt es immer wieder große Müllablagerungen. Und das in der Gegend, in der verschiedene Prestigeprojekte der Stadt entstehen sollen.

>> weiterlesen

Nachgefragt | Stadt Regensburg will mächtige Eiche fällen – Bürger, wehrt euch!

Nachgefragt | Stadt Regensburg will mächtige Eiche fällen – Bürger, wehrt euch!

Die 100-jährige Stieleiche am Rennplatz im Münzer Weg soll weg. Wie kann man als Regensburger Bürger gegen den Flächenfraß der Verwaltung vorgehen?

>> weiterlesen

Nachgefragt | Toiletten, Parkgebühren und Kriminalität – das Bürgerfest unter der Lupe

Nachgefragt | Toiletten, Parkgebühren und Kriminalität – das Bürgerfest unter der Lupe

Die Stadt schätzt die Bürgerfest-Besucher auf 280.000. Es war warm, die Sonne schien und die Atmosphäre war gut. Doch wir haben noch ein bisschen tiefer gebohrt.

>> weiterlesen

Nachgefragt | Biotopkiller Containerdepot schmettert Klage ab – Interview mit Gegnerin Bernadette Dechant

Nachgefragt | Biotopkiller Containerdepot schmettert Klage ab – Interview mit Gegnerin Bernadette Dechant

Die Bahn will ein Containerdepot bauen. Dafür soll eine 12,5 ha große Grünfläche größtenteils versiegelt werden.

>> weiterlesen

Nachgefragt | Update: Eifrige Polizeipraktikantin denunziert erfahrenen Ermittler

Nachgefragt | Update: Eifrige Polizeipraktikantin denunziert erfahrenen Ermittler

Der Prozess um einen Kripobeamten, der von einer Praktikantin quasi der Polizeigewalt gegen einen irakischen Tatverdächtigen bezichtigt wurde, endet nun mit dessen Freispruch.

>> weiterlesen

© Regensburger Stadtzeitung