Jubiläum | Beamte, Busen, Paragraphen

Jubiläum | Beamte, Busen, Paragraphen

Der Erstling: So sah das Titelblatt der Nummer 1 aus: Damals firmierte die Stadtzeitung noch als „DA CAPO“.

 

Die Geburtsstunde der Regensburger Stadtzeitung. Mit der Sprache hat es der damals 24-jährige Peter Kittel schon immer gehabt. Flott schreiben, das konnte er. Deshalb war er auch aus dem ländlich geprägten Bayerwald zum Germanistikstudium an die Uni Regensburg gekommen.

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1983 war das, und für die vielen Studenten in der Stadt gab es nur ein sehr links geprägtes Blatt, das Regensburger Monatsmagazin „RM“. Doch die 68er-Zustände waren vorbei, der Muff weitestgehend aus den Talaren gefahren. Der Zeitgeist schrie nach weniger klassenkämpferischen Parolen, dem RM ging es nicht besonders. Redaktionell nicht und schon gar nicht finanziell. Frischer Wind sollte her.

Da erinnerte sich Ralph Kleiner, damals Redakteur der legendären „Woche“, späterer Pressesprecher des Gewerbeparks und wie Kittel aus Cham stammend, an den jungen Burschen und seine muntere Schreibe. Empfahl ihn im Kreise des Magazins. Kittel kam und ging bald wieder. Der Jung-Redakteur wollte gleich eine eigene Zeitung. Er kannte zwar in der Stadt so gut wie niemanden. Aber: „Ich habe gesehen, was die dort machen. Und schon nach wenigen Wochen gewusst, dass ich das auch allein und besser kann.“

11 Maisonette mit Außenklo: Der Turm am Jakobstor war 13 Jahre lang Sitz und Bollwerk der Regensburger Stadtzeitung.

Kittel holte ein paar Leute vom RM mit ins Boot und los ging es. „Da Capo – die Stadtzeitung für Regensburg“ hieß das Blatt, das am 25. Juli 1984 erstmals erschien.

Ein Turm mit Außenklo

Das aufstrebende und die Stadt revolutionierende Blatt hatte einen prominenten Sitz: den stadtauswärts gesehen linken Turm des Jakobstores. Den hatte Rainer Otto, Antiquitätenhändler von der Thundorferstraße, für seine Jugendgruppe angemietet. Die gab es nicht mehr, also stellte er die winzigen Räumlichkeiten auf zwei Geschossen und mit Außentoilette den Zeitungsleuten zur Verfügung.

Der frühere Polizeiinspektionsleiter vom Minoritenweg und CSU-Stadtrat Rudi Eberwein kam für den ersten Aufmacher in die Redaktion. Stieg die unwahrscheinlich steile Treppe des Turms nach oben und staunte, wie diese Zeitung haust.

Eberwein hatte damals eine Initiative gegründet, die das Oben-ohne-Sonnenbad auf der Jahninsel verbieten sollte. Folgerichtig hieß die erste Titelgeschichte: „Beamte, Busen, Paragraphen.“

Das Blatt war zeitgemäß – und doch ganz anders. Schwarz-weiß mit nur einer Zusatzfarbe auf dem Titelblatt – so wie die meisten anderen Zeitungen. Textlastig – wie alle anderen auch.

11 Peter Kittel 1984: Ein Jungverleger unternimmt die ersten journalistischen Schritte.

Das schöne Mädchen von Seite 1

Und doch erfrischend anders. Immer mit einem hübschen, gerne leicht bekleideten Mädchen neben dem Aufmacher als Blickfang, umfangreichen Filmkritiken und Themen, an die sich damals keiner heranwagte. Den Erstling, 16 Seiten „stark“, zierte eine Reportage über Türsteher, bald folgte ein Streifzug durch die Rotlichtschuppen der Stadt (mit dem legendären Café Von-der-Tann). Ein Personality-Fragebogen („Profile und Parolen“) war zu lesen, natürlich schon früh ein Musikteil und eine durchaus kritische Auseinandersetzung mit der Zivilschutzbehörde.

Ein knallhartes Horoskop der übrigens astrologisch völlig ungebildeten Sternedeuter („Stier: Einem wie Ihnen, der den Begriff ‚Venushügel‘ als eine Art topografische Erscheinung deutet, ist nicht mehr zu helfen!“) stand neben einem biederen Rezept. Da waren ein Roman, ein Comic, ein Rätsel. Die Schachspalte, eine Spielecke. Eine Verlosung mit Karten für die Spider Murphy Gang. Sogar das Fernsehprogramm und die Vorschau auf die Olympischen Wettkämpfe! Und natürlich die Veranstaltungsübersicht. Außergewöhnlich war für ein Journal das Berliner Format (DIN A3). Im Gegensatz zu heute erschien die Stadtzeitung 14-tägig und war nicht kostenlos: Wer Regensburgs frechste Zeitungs-Illustrierte lesen wollte, musste 50 Pfennig hinlegen.

Die Zeitung für die Bauarbeiter

Allerdings war „Da Capo“ schon mit seinem Titel der Zeit weit voraus. Heike Reisinger, erste und attraktive Anzeigenchefin, versuchte ihr Glück im Inseratsverkauf bei einem auch heute nicht unbekannten Geschäftsmann nahe des Theaters.

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11 Ein Kämpfer für die Moral: Rudi Eberwein 1984.

Vor dessen Laden wurde damals als Spätfolge der Umgestaltung der Platzfolge Kohlenmarkt –Rathausplatz –Haidplatz die Straße aufgerissen. Die Stadtzeitungs-Frau stellt sich also vor, nennt ihr Anliegen. Der Geschäftsmann: „Wo san Sie her?“ Die Verkaufsleiterin: „Von Da Capo“. Der potenzielle Kunde. „Der Capo? Der Capo? Ach so, Sie machen was für den Capo! Eine Zeitung für die Bauarbeiter! Ja, Respekt!“

Inseriert hat er trotzdem nicht. Dafür gab es gleich eine ganze Branche, die das neue, witzige Blatt unterstützte. Die Gastronomen. Und die Läden für junge, flippige Leute. Längst verblichene wie das legendäre „Mandavya“ Hinter der Grieb etwa. Die Kinos vom Bavaria über das Gloria und Regina hin zu den Kammer-Lichtspielen und dem Ostentor. Der Club Hawaii pries seine leichten Mädchen an.

Zudem die Kneipen: Das Carambolage von der Keplerstraße, das Bricus am Weißgerbergraben, die Schwedenkugel, das Auflaufhäusl. Drei Gastronomen blieben der Regensburger Stadtzeitung als Inserenten treu bis zum Tod: Martin Kaltenbrunner („Alte Münz“), Chailerd Topernpong („Baanthai“) und Josef Scheck („Wirtschaftswunder“). Der Friseur Wagmüller warb sogar rund 25 Jahre am Stück. Einer der ersten und treuesten Kunden war auch die Autoverwertung Pramschüfer, damals wie heute an der Donaustaufer Straße.

So ging das damals alles los – der Startschuss für 35 erfolgreiche Jahre war gefallen. (ssm)

 


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