
Jubiläum | Serie I: Regensburg – wie wir wurden, was wir sind
Die Städtische Sparkasse am Neupfarrplatz in den Vierzigerjahren.
Die erfolgreichste Stadtzeitungsserie aller Zeiten: Mit ihrem Achtteiler landet die Stadtzeitung einen nie erwarteten Sensationserfolg.
Stadtzeitungschef Peter Kittel war unzufrieden. „Wir brauchen endlich wieder einen Volltreffer!“, polterte er bei einer Redaktionskonferenz. „Eine Geschichte, über die die Stadt spricht!“ Wie damals, als die Stadtzeitung OB-Kandidat Joachim Wolbergs als Geschäftsführer jahrelange Verstöße gegen die Satzung seiner Alten Mälzerei nachweisen konnte und die komplette Journaille nachzog.
Oder damals, als die In-&-Out-Liste zur einzig ernstzunehmenden Bewertungsskala des städtischen Lebens emporgestiegen war. Etwas, das die Leute verschlingen würden und das die Zeitung gleichzeitig ungemein sympathisch erscheinen lässt. Bloß was?

Im Frühjahr 2013 strahlte Peter Kittel in seiner da noch existierenden Kneipe „Emma“ das Champions-League-Halbfinalspiel zwischen dem FC Barcelona und dem FC Bayern aus. Unter den Gästen war einer seiner früheren Redakteure: Adrian Mühlbauer, der zuletzt 2009 freiberuflich für Kittel gearbeitet hatte.
Damals hatte der ihm den Auftrag erteilt, das Stadtzeitungsbuch „Blickpunkt Regensburg“ zu überarbeiten, diesen Stadtführer völlig neu zu konzipieren. Zur Veröffentlichung kam es nicht, während der Recherchen warb die Bildzeitung den Schreiber ab, das Werk blieb unvollendet.
Vor dem Bayern-Spiel zog Mühlbauer seinen Spezl Kittel auf: „Sag mal, gibts zwischenzeitlich eigentlich ein Stadtzeitungsbuch?“ Der konterte: „Wenn du damals auch nur irgendetwas gearbeitet hättest ...“ – „Hab ich doch“, sagte Mühlbauer. Und Kittel erinnerte sich. Das Buch war ja eigentlich halb fertig gewesen, da gab es doch die Geschichte der Stadt, die sein früherer Mitstreiter ziemlich gut nachgezeichnet hatte. „Du, sag einmal“, fragte er, „hast du nicht damals ...“
Mühlbauer hatte. Nach Jahrzehnten geordnet und mit Zeitzeugen angereichert waren seine Geschichten der Geschichte, daran erinnerte er sich. Mit anderen Worten: Es lag im Prinzip fast das ganze Textmaterial für eine Regensburg-Serie da. Nur wo? „Ich fang erst zu suchen an, wenn du das Zeug wirklich brauchst.“
Kittel kam mit Mühlbauers ursprünglicher Idee der Regensburg-Serie in die Redaktionssitzung. Auf der bekam er zu hören: „Geh, die alten Geschichten, die interessieren keinen Menschen.“
Wilde Diskussionen in der Redaktion
„Angestaubter Käse, rückwärtsgewandt“, meinte die eine Seite der Redaktion. Die andere meinte, dass es schon hochinteressant zu wissen wäre, wie Regensburg früher ausgeschaut hätte.
Problem: Wer könnte Fotos haben, die Herzstück der Serie werden könnten? RSZ-Mitarbeiter Heinz Karl rief bei der Stadtbildstelle an. Dort sollte Peter Ferstl einen immensen Schatz zu Tage fördern. Freilich ahnte das in dieser Form noch niemand. Doch als Kittel die Aufnahmen aus den dreißiger und vierziger Jahren des letzten Jahrhunderts sah, sagte er sich: „Des mach ma jetzt.“ Den Titel der Serie hatte Mühlbauer geliefert: „Regensburg – wie wir wurden, was wir sind“.
Schon der Erstling wird angenommen
Der Chef selbst verfeinerte das Material, das Mühlbauer aus den Tiefen seines sorgsam gepflegten Archivs zu Tage gefördert hatte, doch das meiste konnte Kittel unverändert übernehmen. Etwa den ersten Teil der Serie, der sich mit den dreißiger Jahren beschäftigte und die Geschichte von Walter Zauner, dem Lausbuben aus der Weingasse, erzählte. Aber auch vom Bau des Göringheimes, der Kristallnacht und dem Schandmarsch der Juden.
Die ersten Anrufe kamen. Ob die Serie denn fortgesetzt würde? Ob es weiter so interessante Bilder gäbe? Es gab sie. Schon in der nächsten Ausgabe ging es um die Kriegsjahre und das Aussehen der Stadt unmittelbar vor Kriegsausbruch: Wer weiß denn noch, dass der Eiserne Steg einst eine filigrane Stahlbogenbrücke war? Dass vor der Schottenkirche eine Luftschutzmauer stand und das Benzin streng rationalisiert wurde? Wo es nach Bombenangriffen zerstörte Häuser gab? Es folgten die Stunde Null, der Wiederaufbau, Erzählungen vom Leben in Notbaracken, etwa dem Pulverturm am Galgenberg. Die beschwingten fünfziger Jahre, die aberwitzigen Verkehrspläne, die Regensburg zerschlagen hätten. Und immer erzählten Zeitzeugen, öffneten ihre Fotoalben, die Stadtbildstelle lieferte eine brillante Aufnahme nach der anderen.
Die Leser reißen sich um die Serie
Die Serie kommt an – und wie! Es spricht sich herum, dass es diese schön illustrierte Rückschau gibt – doch nicht alle Regensburger können sich die jeweilige Ausgabe sichern. Folge: Es setzt fast schon ein Besucherstrom ein, viele ältere Menschen, sonst keine RSZ-Leser, kommen in die Margaretenstraße, holen sich die jeweilige Ausgabe. Wer die ersten Teile verpasst hat, bittet um die zurückliegenden Nummern. Es gibt zahlreiche Leserbriefe – sonst ein eher seltenes Phänomen. Kurz und gut: „Regensburg – wie wir wurden, was wir sind“ ist ein Renner. Und die Redaktionsmitarbeiter, die von „altem Käse“ gesprochen hatten, schweigen betreten, wenn ein neuer Schwung alter Fotos in der Redaktion eintrifft.
Roxy-Bar, die Donau-Burschen, der Manfred vom Brunnweg, der Toni vom Auweg, die Gerda von Kumpfmühl, Willie’s Paprika, der Chopper – alles ruft liebgewonnene oder unvergessene Erinnerungen hervor. Einen weiteren Höhepunkt gibt es, als es um die Siebziger und Achtziger geht, in die die Liebesgeschichte der beiden Horten-Mitarbeiter Bernd und Dagmar eingebettet ist. „Sie glauben gar nicht, wie oft wir nach der Veröffentlichung angesprochen wurden“, meldet sich das seit über 40 Jahren verheiratete Paar. Sogar von wildfremden Leute sind sie angesprochen worden. „Sie kenn‘ ich aus der Zeitung!“ (ssm)
Die „Nachgefragt“-Reihe
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- 25.08. Straftat in Kreis Kelheim – Täternationalität verschwiegen?
- 18.08. Selbstzensur bei der Polizei? Täternationalität wird verschwiegen
- 09.08. Das Staatsgeheimnis: Knapp 280.000 ausreisepflichtige Migranten in Deutschland – was kosten die eigentlich?
- 08.08. Nicht mal fünf Euro für drei Mahlzeiten? – Der Verpflegungsskandal in den Altenheimen
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- 22.05. Auflösung: Was zum Teufel ist das für ein Stollen? (Regensburger Unterwelten)
- 08.05. Was zum Teufel ist das für ein Stollen? (Regensburger Unterwelten)
- 02.05. Schmierer-Welterbestadt Regensburg?
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- 24.01. Martyrium für den Denkmalschutz? Prof. Egon Greipl vom Bayerischen Staat in den Ruin getrieben
- 24.01. Grüne fallen um, Containerdepot ist auf dem Weg
- 24.01. Nach Insiderinfo: Grüne stehen mal wieder vorm Umfallen
- 22.01. Kippt Projekt Containerdepot? CSU will Anwohner und Natur vor Flächenfraß schützen
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- 26.10. Ist zerstörte Natur zu ersetzen? (Flächenfraß in Regensburg, Teil III/III)
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- 23.09. Wolfgang Haarer: Rock ʼnʼ Roll und Eskapaden
- 23.09. Baumkiller „Sportpark Ost“? (Flächenfraß in Regensburg, Teil II/III)
- 19.09. Containerdepot der Bahn sorgt für Protest (Flächenfraß in Regensburg, Teil I/III)
- 13.09. Kunst darf alles – in Regensburg nicht?
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- Endlich Wahlen! – die Kommunalwahl in Regensburg
- Der Bürger will mitreden (Bürger, wehrt Euch!, Teil VI)
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- Erich Gohl: Was schiefgeht, hängt nicht
- Gehört die Stadt den Radl-Rambos? (Bürger, wehrt Euch!, Teil V)
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- Die Stadt mal wieder voll daneben (Bürger, wehrt Euch!, Teil IV)
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Nachgefragt:
- Dauerkarte I: Der Dauergast: Joachim Wolbergs (Korruptionsaffäre)
- Dauerkarte II: Der Abkassierer: Norbert Hartl
- Dauerkarte III: Unger, Unger immer wieder Unger!
- Die Baumpaten und das ökologische Bewusstsein der Stadtzeitung (RKK)
Die RSZ feiert 35-Jähriges! Mehr Artikel aus der Jubiläumsausgabe hier und nachfolgend:
- 1984
- Beamte, Busen, Paragraphen
- Die Goldgräberstimmung
- Schöne und nackte Mädchen
- Kurioses aus dem Anzeigenverkauf
- Der Kunde, der nie mehr kam
- Dauerkarte I: Der Dauergast: Joachim Wolbergs (Korruptionsaffäre)
- Dauerkarte II: Der Abkassierer: Norbert Hartl
- Peter K. und sein geheimnisvolles Buch
- Konservativ und unkonventionell
- Serie I: Regensburg – wie wir wurden, was wir sind
- Serie II: Besondere Plätze in Regensburg
- Das Scharfgericht für die Wirte
- Anekdoten aus 35 Jahren Regensburger Stadtzeitung
- Die Baumpaten und das ökologische Bewusstsein der Stadtzeitung (RKK)
- Serie III: Wie aus einer anderen Zeit
- Die Maulhelden und ihre Bücher
- Serie IV: In aller Herren Länder
- Serie V: Der Jahn von unten
- Die großartige Fußballkarriere der Stadtzeitung
- Die Stadtzeitung im Osten
- Der Mann, aus dem was wurde: Ulrich Lechte
- Die Frau, aus der was wurde: Juliette Greco
- Best-of Profile & Parolen
- Dauerkarte III: Unger, Unger immer wieder Unger!
- In & Out: Rückblick
- Der Veranstaltungsservice: Alles begann mit dem Bürgerfest
- Derblecken à la Regensburg
- Als der Papst kam
- Vom Sommerfest zum Truthahnfest
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- Wirbel um neue Taxi-App (Bürger, wehrt Euch!, Teil III)
- Außen pfui, innen – naja
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- Zwischen Knast und Freispruch (Korruptionsaffäre)
- Und sie schämen sich doch! (Bürger, wehrt Euch!, Teil II)
- Ein Mann und seine Welt
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- Nach Pleiten, Pech und Pannen: Showdown im Wolbergs-Prozess (Korruptionsaffäre)
- Grün kaputt in Kumpfmühl (Bürger, wehrt Euch!, Teil I)
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- Der gebrochene Mann (Korruptionsaffäre)
- Faule Tricks mit unseren Bäumen – kommt Stadthalle über die Hintertür? (RKK)
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- Gewogen und für zu leicht befunden? (Korruptionsaffäre)
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- Der Artikel, der bundesweit Wellen schlägt: Was ist los bei der Staatsanwaltschaft? (Korruptionsaffäre)
- Personalie Becker (Korruptionsaffäre)
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- Es bleibt – eine Tragödie (Korruptionsaffäre)
- Liebe, Bedingungslos (Korruptionsaffäre)
- Ein Ordnungsamt komplett daneben
- Bürger fordern: Stoppt das RKK-Monster! (RKK)
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- Neuer Ausschreibungsskandal um Mauschelein im Stadion? (Korruptionsaffäre)
- 600.000 Euro unterschlagen?
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- Joachim Wolbergs – eine Tragödie (Korruptionsaffäre)
- Und das wollt ihr alles zerstören! (RKK)
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- Wolbergs-Affäre – Walter tritt aus SPD aus (Korruptionsaffäre)
- Stadthalle: Der Widerstand wächst (RKK)
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- Anklage da! (Korruptionsaffäre)
- „Süddeutsche Zeitung“ weiter im Sinkflug
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- Wolbergs: Jetzt gehts los! (Korruptionsaffäre)
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- Der peinliche Sozi kapiert es nicht (Korruptionsaffäre)
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- Extra-Wurst für den OB a.D. (Korruptionsaffäre)
- Hartl, verschwinde! (Korruptionsaffäre)
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- Ein Mann und seine eigene Welt (Korruptionsaffäre)
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- Wie lange noch? (Korruptionsaffäre)
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- Spendenskandal (Korruptionsaffäre)
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- gepostet am: Sonntag, 01. September 2019