Jubiläum | Serie I: Regensburg – wie wir wurden, was wir sind

Jubiläum | Serie I: Regensburg – wie wir wurden, was wir sind

Die Städtische Sparkasse am Neupfarrplatz in den Vierzigerjahren.

 

Die erfolgreichste Stadtzeitungsserie aller Zeiten: Mit ihrem Achtteiler landet die Stadtzeitung einen nie erwarteten Sensationserfolg.

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Es war auf einmal alles anders. Benno Hurt, selbst Schriftsteller und Richter, schrieb „von einem Glücksgriff, der in alltäglichen Bildern die Zeit zurückbringt“, Kultur-Stadtrat und CSU-Legende Klaus Schulz von einer „informativen Zusammenschau der jüngsten Geschichte unserer Stadt, wie man sie selten findet, Schilderungen des Alltags der Regensburger in all den Jahren und der konkrete Blick auf die Entwicklung unserer Stadt. Absolut lesenswert!“ Die beiden schickten der Regensburger Stadtzeitung Zuschriften, in denen sie die Stadtzeitungsserie von 2013/2014 lobten: „Regensburg – wie wir wurden, was wir sind“! So eine Reaktion hatte noch keine Serie hervorgerufen! Dabei hätte die fast für immer im Archiv eines Ex-Mitarbeiters geschlummert. Es war ein Zufall, der die richtige Idee entwickeln half. Ein Spiel des FC Bayern spielte eine wichtige Rolle. Der Reihe nach:

Stadtzeitungschef Peter Kittel war unzufrieden. „Wir brauchen endlich wieder einen Volltreffer!“, polterte er bei einer Redaktionskonferenz. „Eine Geschichte, über die die Stadt spricht!“ Wie damals, als die Stadtzeitung OB-Kandidat Joachim Wolbergs als Geschäftsführer jahrelange Verstöße gegen die Satzung seiner Alten Mälzerei nachweisen konnte und die komplette Journaille nachzog.

Oder damals, als die In-&-Out-Liste zur einzig ernstzunehmenden Bewertungsskala des städtischen Lebens emporgestiegen war. Etwas, das die Leute verschlingen würden und das die Zeitung gleichzeitig ungemein sympathisch erscheinen lässt. Bloß was?

11 Miss-Wahl in den Fünfzigern in Regensburg.

„Alte Geschichten interessieren keinen“

Im Frühjahr 2013 strahlte Peter Kittel in seiner da noch existierenden Kneipe „Emma“ das Champions-League-Halbfinalspiel zwischen dem FC Barcelona und dem FC Bayern aus. Unter den Gästen war einer seiner früheren Redakteure: Adrian Mühlbauer, der zuletzt 2009 freiberuflich für Kittel gearbeitet hatte.

Damals hatte der ihm den Auftrag erteilt, das Stadtzeitungsbuch „Blickpunkt Regensburg“ zu überarbeiten, diesen Stadtführer völlig neu zu konzipieren. Zur Veröffentlichung kam es nicht, während der Recherchen warb die Bildzeitung den Schreiber ab, das Werk blieb unvollendet.

Vor dem Bayern-Spiel zog Mühlbauer seinen Spezl Kittel auf: „Sag mal, gibts zwischenzeitlich eigentlich ein Stadtzeitungsbuch?“ Der konterte: „Wenn du damals auch nur irgendetwas gearbeitet hättest ...“ – „Hab ich doch“, sagte Mühlbauer. Und Kittel erinnerte sich. Das Buch war ja eigentlich halb fertig gewesen, da gab es doch die Geschichte der Stadt, die sein früherer Mitstreiter ziemlich gut nachgezeichnet hatte. „Du, sag einmal“, fragte er, „hast du nicht damals ...“

Mühlbauer hatte. Nach Jahrzehnten geordnet und mit Zeitzeugen angereichert waren seine Geschichten der Geschichte, daran erinnerte er sich. Mit anderen Worten: Es lag im Prinzip fast das ganze Textmaterial für eine Regensburg-Serie da. Nur wo? „Ich fang erst zu suchen an, wenn du das Zeug wirklich brauchst.“

Kittel kam mit Mühlbauers ursprünglicher Idee der Regensburg-Serie in die Redaktionssitzung. Auf der bekam er zu hören: „Geh, die alten Geschichten, die interessieren keinen Menschen.“

Wilde Diskussionen in der Redaktion

„Angestaubter Käse, rückwärtsgewandt“, meinte die eine Seite der Redaktion. Die andere meinte, dass es schon hochinteressant zu wissen wäre, wie Regensburg früher ausgeschaut hätte.

Problem: Wer könnte Fotos haben, die Herzstück der Serie werden könnten? RSZ-Mitarbeiter Heinz Karl rief bei der Stadtbildstelle an. Dort sollte Peter Ferstl einen immensen Schatz zu Tage fördern. Freilich ahnte das in dieser Form noch niemand. Doch als Kittel die Aufnahmen aus den dreißiger und vierziger Jahren des letzten Jahrhunderts sah, sagte er sich: „Des mach ma jetzt.“ Den Titel der Serie hatte Mühlbauer geliefert: „Regensburg – wie wir wurden, was wir sind“.

  • Sensation: Politclown Heinz Mierswa zieht in den Stadtrat ein.
  • Erste Vergnügen nach dem Krieg: das Schwarzwaldmädel im Bavaria-Kino.
  • Das Kaufhaus Rothdauscher am Neupfarrplatz in den Dreißigerjahren.
  • Hochwasser in Stadtamhof – das gab es auch schon vor über 80 Jahren.
  • Die Bewohner der Notunterkunft am Pulverturm. Die einfachen Holzhütten standen am Galgenberg.
  • Direkt am Rathaus vorbei führte die Ost-West Trasse durch die Stadt, und fürs Haxl gab es damals Schuh Daxl.
  • Für Verkehrschaos sorgten in den 1940ern vorwiegend die Radler, hier bei der Wurstkuchl.
  • Der SSV Jahn kickte auch zu Kriegszeiten im Schatten der Brauerei.
  • An einem jüdischen Geschäft in der Innenstadt sind die Scheiben eingeworfen.
  • Ein zerbombtes Haus in der Luitpoldstraße.

Schon der Erstling wird angenommen

Der Chef selbst verfeinerte das Material, das Mühlbauer aus den Tiefen seines sorgsam gepflegten Archivs zu Tage gefördert hatte, doch das meiste konnte Kittel unverändert übernehmen. Etwa den ersten Teil der Serie, der sich mit den dreißiger Jahren beschäftigte und die Geschichte von Walter Zauner, dem Lausbuben aus der Weingasse, erzählte. Aber auch vom Bau des Göringheimes, der Kristallnacht und dem Schandmarsch der Juden.

Die ersten Anrufe kamen. Ob die Serie denn fortgesetzt würde? Ob es weiter so interessante Bilder gäbe? Es gab sie. Schon in der nächsten Ausgabe ging es um die Kriegsjahre und das Aussehen der Stadt unmittelbar vor Kriegsausbruch: Wer weiß denn noch, dass der Eiserne Steg einst eine filigrane Stahlbogenbrücke war? Dass vor der Schottenkirche eine Luftschutzmauer stand und das Benzin streng rationalisiert wurde? Wo es nach Bombenangriffen zerstörte Häuser gab? Es folgten die Stunde Null, der Wiederaufbau, Erzählungen vom Leben in Notbaracken, etwa dem Pulverturm am Galgenberg. Die beschwingten fünfziger Jahre, die aberwitzigen Verkehrspläne, die Regensburg zerschlagen hätten. Und immer erzählten Zeitzeugen, öffneten ihre Fotoalben, die Stadtbildstelle lieferte eine brillante Aufnahme nach der anderen.

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Die Leser reißen sich um die Serie

Die Serie kommt an – und wie! Es spricht sich herum, dass es diese schön illustrierte Rückschau gibt – doch nicht alle Regensburger können sich die jeweilige Ausgabe sichern. Folge: Es setzt fast schon ein Besucherstrom ein, viele ältere Menschen, sonst keine RSZ-Leser, kommen in die Margaretenstraße, holen sich die jeweilige Ausgabe. Wer die ersten Teile verpasst hat, bittet um die zurückliegenden Nummern. Es gibt zahlreiche Leserbriefe – sonst ein eher seltenes Phänomen. Kurz und gut: „Regensburg – wie wir wurden, was wir sind“ ist ein Renner. Und die Redaktionsmitarbeiter, die von „altem Käse“ gesprochen hatten, schweigen betreten, wenn ein neuer Schwung alter Fotos in der Redaktion eintrifft.

Roxy-Bar, die Donau-Burschen, der Manfred vom Brunnweg, der Toni vom Auweg, die Gerda von Kumpfmühl, Willie’s Paprika, der Chopper – alles ruft liebgewonnene oder unvergessene Erinnerungen hervor. Einen weiteren Höhepunkt gibt es, als es um die Siebziger und Achtziger geht, in die die Liebesgeschichte der beiden Horten-Mitarbeiter Bernd und Dagmar eingebettet ist. „Sie glauben gar nicht, wie oft wir nach der Veröffentlichung angesprochen wurden“, meldet sich das seit über 40 Jahren verheiratete Paar. Sogar von wildfremden Leute sind sie angesprochen worden. „Sie kenn‘ ich aus der Zeitung!“ (ssm)

 


Die „Nachgefragt“-Reihe

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