Regensburger Unterwelten | Auflösung: Was zum Teufel ist das für ein Stollen?

Regensburger Unterwelten | Auflösung: Was zum Teufel ist das für ein Stollen?

In der Nähe des Pfaffensteiner Tunnels befindet sich ein geheimnisvoller Stollen.

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Vor wenigen Wochen wollten wir wissen: Was ist das für ein mysteriöser Stollen, der sich 100 m westlich vom Südeingang des Pfaffensteiner Tunnels befindet (siehe RSZ: „Was zum Teufel ist das für ein Stollen“, 08.05.2023)? Weder die Autobahndirektion, auf deren Grundstück sich der Stollen befindet, noch der Heimatpfleger der Stadt Regensburg, noch der Heimatverein Stadtamhof wissen weiter. Also wandten wir uns an unsere Leser.

Versuchsstollen „Edith“?

Bernd Edtmaier leistet unserem Aufruf Folge. Er vermutet, es könnte sich um den Versuchsstollen namens „Edith“ von 1966 handeln. Mit diesem kleineren Stollen sollten Informationen über das Gestein im Berg für den Bau des größeren Pfaffensteiner Tunnels gesammelt werden. Ein Foto vom Stollen „Edith“ von vor 60 Jahren sowie zeitgenössische Zeitungsartikel bieten einen Einblick in die Regensburger Lokalgeschichte.

 


„Glück auf! EDITH-STOLLEN 16.5.1966“

„Glück auf! EDITH-STOLLEN 16.5.1966“

© Dr. Wolfgang Michtl

Mittelbayerische Zeitung, 14./15.5.1966

Mittelbayerische Zeitung, 14./15.5.1966

Mittelbayerische Zeitung, 1.4.1966

Mittelbayerische Zeitung, 1.4.1966

Regensburger Stadt-Umschau, 23.5.1966

Regensburger Stadt-Umschau, 23.5.1966


 

Doch dass es sich beim „Edith“-Stollen um den gesuchten Stollen handelt, ist fraglich. Bernd Edtmaier hakt beim Fotografen nach, der „Edith“ damals fotografiert hat, Dr. Wolfgang Michtl. Er schreibt:

 

Mein Foto zeigt einen großen Tunnelquerschnitt (lt. Zeitung 7 qm, „Planierraupen-gängig“) in einem (damals) betonbewehrten Steilhang, der im Vergleich mit den vor dem Gitter stehenden Menschen sicher doppelt oder 3 x höher ist als an dem von der Stadtzeitung angefragten.

Mein Foto, auf dem ich als Schattenwurf drauf bin, ist genau in Lichtrichtung aufgenommen, die Schatten sind schon länger (der Laubfärbung und den Mänteln nach Herbst oder Winter 1967 + Nachmittag, denn vormittags war für mich Schule, da konnte ich nicht fotografieren gehen ...). Das Bild ist also in Blickrichtung Nordost aufgenommen (Sonne im SW) und damit sozusagen genau in Richtung der späteren Tunnelröhren, deren Südportal ja auch nach SW zeigen (Google Maps). Mein Originaldia ist leider nicht exakt datiert, aber in einer Box mit gleichen Diarahmen, die alle Bilder von Herbst 1967 bis einschließlich Jan./Feb. 1968 enthalten (kein Zeitbeweis, aber ein begründeter Verdacht hinsichtlich Aufnahmezeitpunkt).

„100 m westlich“ des heutigen Tunnels (oberhalb des „toten Endes“ der Alten Nürnberger Straße?) passt eigentlich auch nicht zum Edith-Stollen, müsste sonst m.E. östlicher / näher am heutigen Tunnelportal sein ...

Klein & mit Natursteinen „rechteckig“ ausgemauert spricht eher für was wie einen kleinen Eiskeller (gab‘s da irgendwo evtl. eine weitere kleine Brauerei?, die Spital-Brauerei hatte weiter östlich ja auch einen noch existenten Eiskeller im Berg); das gemauerte Halbrund über dem Eingang ist bezogen auf den Edith-Stollen viel zu klein (wenn man die im Stadtzeitung-Artikel gegebenen Maße ansetzt). Warum hätte man den Edith-Stollen so aufwendig „rück- oder ausgebaut“?

 

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Doch eine Quellfassung?

 

Eine weitere Zuschrift erreicht uns. Stefan Kerler schreibt:

 

Wieder einmal verwundert es mich, dass die zuständigen Stellen der Stadt Regensburg, der Autobahndirektion oder die Heimatpfleger nicht in der Lage sind, Recherchen anzustellen.

Im Büchlein „Aus der sogenannten guten alten Zeit“ mit Geschichten von Sebastian Hosang aus der Zeit vor 1840, die Oberarchivrat Dr. Freytag im Jahr 1930 veröffentlicht hat, werden die Quellen und deren Geschichte beschrieben. Ich habe die kurze Geschichte als Anlage beigefügt.

DIE QUELLEN BEI PFAFFENSTEIN

Vielleicht weiß das Wasserwirtschaftsamt noch mehr darüber, habe aber auch hier meine Zweifel.

Zusätzlich möchte ich Ihnen noch mitteilen, dass auch in den Regensburger Standardwerken von Gumpelzhaimer und Bauer die Quellen von Pfaffenstein beschrieben werden.

 

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Diesen Verdacht wollen wir vom Wasserwirtschaftsamt bestätigen lassen. Man schreibt uns:

 

Eine Reihe wasserwirtschaftlicher bzw. hydrogeologischer Aspekte legen nahe, dass es sich bei dem verfallenen Gang um eine alte Quell- bzw. Brunnstube handelt.

Zum einen spricht die hydrogeologische Situation vor Ort dafür. Auf dem Höhenniveau des Stollens befindet sich im Hangbereich laut Geologischer Karte unter einer Überdeckung von Lockersedimenten ein bedeutender Grundwasser-Stauhorizont. Hierbei handelt es sich um den sogenannten „Eibrunner Mergel“, eine etwa fünf bis acht Meter dicke Tonschicht, über der sich das Wasser stauen und im Hangbereich lokal in Form von Quellen austreten kann. Von der hydrogeologischen Situation her wäre somit eine Quelle im Bereich des Stollens fachlich plausibel. Aus einer Skizze in den Erläuterungen zur „Geologischen Karte von Bayern – Blatt Regensburg“ (S. 260 – s. Scan in der Anlage) wird zudem ersichtlich, dass es in diesem Gebiet eine Reihe kleinerer Quellen gab bzw. noch gibt. Die Ortschaft Winzer wird beispielsweise aus einer derartigen Quelle mit Trinkwasser versorgt.

Auch das äußere Erscheinungsbild der Eingangsfassade erinnert stark an eine historische Quellfassung, wie sie z. B. auch die „Reichsstädtische Brunnstube“ östlich des Prüfeninger Schlosses besitzt.

Der Umstand, dass der Gang (im Zickzack) in den Berg hineinführt, ist zwar eher ungewöhnlich, da eine Quellfassung i. d. R. quer zum Hang angelegt wird, um möglichst viel Wasser abzufangen. Jedoch wird in der oben genannten Erläuterung (auf der gleichen Seite) für dieses Gebiet eine derartige Quellfassung erwähnt, „bei der man stollenartig wenige Meter in den Hang vorgedrungen ist“. Vermutlich ist dieser Ausbau der besonderen geologischen Situation geschuldet, dass der Stauhorizont des Eibrunner Mergels nicht unmittelbar an der Erdoberfläche zu Tage tritt, sondern unter einer Deckschicht verborgen bleibt. Daher wurde offensichtlich ein Stollen angelegt, um – durch diese Deckschicht hindurch – den Quellhorizont direkt zu erreichen und zu erschließen.

Der auf den ersten Blick überraschende Umstand, dass trotz eines bisher niederschlagsreichen Frühjahrs in dem Stollen aktuell offensichtlich kein Wasser zu Tage tritt, ist neben seiner Verschüttung wahrscheinlich ebenfalls dieser besonderen hydrogeologischen Situation geschuldet. Es ist durchaus anzunehmen, dass bei einer Freilegung des Ganges und Wiederherstellung der ursprünglichen Stollenlänge die wasserführenden Schichten wieder freigelegt und erschlossen werden könnten.

Zusammenfassend lässt sich somit feststellen, dass es sich nach derzeitiger Kenntnislage bei dem fraglichen Gang um eine verfallene Quellfassung handelt, deren ehemalige Nutzung (privat oder öffentlich) dem Wasserwirtschaftsamt jedoch nicht bekannt ist.

 

Also deutet alles darauf hin, dass es sich bei dem mysteriösen Stollen um eine alte Quellfassung handelt. Wir danken allen Lesern für ihre tatkräftige Unterstützung! Gibt es noch andere Hinweise? Welche obskuren Orte hat Regensburg noch zu bieten? Einsendungen unter Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!. Wir gehen der Sache auf den Grund. (lnw)

 


Die „Nachgefragt“-Reihe

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