Nachgefragt | Kriminalität in und um Regensburg – 2023 am Regensburger Landgericht

Nachgefragt | Kriminalität in und um Regensburg – 2023 am Regensburger Landgericht

Dr. Clemens Prokop, Präsident des Landgerichts, und Ruth Koller, Pressesprecherin und Vorsitzende Richterin im Pressegespräch.

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Enkeltricks, Cybercrime, Sexualdelikte, Mord – im Jahrespressegespräch des Landgerichts Regensburg informieren Präsident Dr. Clemens Prokop und Ruth Koller, Pressesprecherin und Vorsitzende Richterin, was sich 2023 getan hat.

Das Landgericht Regensburg ist in Zivilsachen zuständig für Streitwerte ab 5.000 €, bei Straferwartung von über vier Jahren und als Berufungsgericht für alle erstinstanzlichen Entscheidungen der Amtsgerichte im Bezirk (Kelheim, Straubing, Cham, Regensburg). In Strafsachen ist das Landgericht zuständig bei Straferwartung über vier Jahre, bei Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus oder wenn es sich um Schwurgerichtsverfahren handelt. Zurzeit sind am Landgericht 57 Richterinnen und Richter tätig. Das Einstiegsalter ist Mitte/Ende 20, das Durchschnittsalter beträgt momentan 40,83 Jahre. Die durchschnittliche Verfahrensdauer für erstinstanzliche Prozesse beträgt 10,30 Monate – das ist etwas schneller als der Landesdurchschnitt.

Zivilabteilung

2022 sind 2.829 erstinstanzliche Zivilverfahren beim Landgericht eingegangen, 2023 waren es 2.968. Das sind 5 % Steigerung, obwohl die Massenverfahren der letzten Jahre (Dieselklagen oder Beitragserhöhung der privaten Krankenkassen) nicht mehr relevant sind. Bundesweit sind die Eingangszahlen von Zivilverfahren rückgängig.

2022 gingen 297 Berufungen gegen Urteile der Zivilgerichte an den Amtsgerichten beim Landgericht Regensburg ein, 2023 gab es 239 Eingänge (Rückgang von 19,5 %). Laut Dr. Clemens Prokop werde entweder die Akzeptanz der ersten Instanz größer oder es sei Ausdruck der rückläufigen Eingangszahlen beim Amtsgericht.

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Die Justiz mache Fortschritte bei der Digitalisierung: Verhandlungen werden oft per Videokonferenz durchgeführt: 2023 gab es 459 Videoverhandlungen. Bei Fällen, bei denen es um Rechtsfragen und nicht um Beweisaufnahmen geht, würden sich Videokonferenzen anbieten, so Dr. Prokop.

Im Rahmen der Digitalisierung in Bayern nimmt das Landgericht Regensburg außerdem am Reallabor „Strukturvorgaben im Zivilprozess“ teil. Bei dem Pilotprojekt versuche man, den Sachvortrag der Parteien anhand von Strukturvorgaben digital zu sammeln, um die Vergleichbarkeit der Texte zu ermöglichen, was vor allem bei Massenverfahren die Arbeit vereinfacht.

Strafabteilung

Was Strafsachen angeht, seien durchweg Steigerungen zu verzeichnen, so Pressesprecherin Ruth Koller. Besonders auffällig seien die Steigerungen im Bereich der Berufungen (zweitinstanzlichen Entscheidungen) des Landgerichts: 2022 gab es 431, 2023 535 Verfahren (Zuwachs 24 %). Die Ursachen seien schwer feststellbar: Einerseits könnten Angeklagte mit dem erstinstanzlichen Urteil unzufrieden sein oder die Staatsanwaltschaft eine Überprüfung des Verfahrens wünschen. Bei den erstinstanzlichen Verfahren sei nur ein kleiner Zuwachs von 3 % zu verzeichnen: 2022 gab es 129 Verfahren, 2023 133.

Von den 133 erstinstanzlichen Verfahren gab es 41 Verfahren im Bereich Betäubungsmittelkriminalität, 21 Schwurgerichtsverfahren (versuchte oder vollendete Tötungsdelikte, vier davon bei der Jugendkammer – Angeklagter war entweder Jugendlicher oder Erwachsener), 18 Verfahren im Bereich Sexualdelikte (drei Angeklagte hatten ausländische Staatsangehörigkeit, einer die deutsche und eine weitere) und 16 Wirtschaftsstrafverfahren.

Neu, und beim Landgericht bisher noch nicht Gegenstand, seien Cybercrimeverfahren: Die Wirtschaftsstrafkammer hatte 2023 drei Verfahren mit insgesamt fünf Angeklagten, die jeweils zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt wurden (die Strafen sind inzwischen rechtskräftig). Es handelt sich um eine internationale Tätergruppierung, die Kunden vortäuschte, sie würden Gelder für sie angelegen. Es wurde der Anschein erweckt, es könnten erhebliche Gewinne erzielt werden. Die Angeklagten haben mit diesen Geldern nie Handel betrieben, sondern für sich selbst vereinnahmt. Am Landgericht ging es um deutsche Geschädigte mit einem Gesamtschaden von 6,8 Millionen Euro, weltweit wurden 75 Millionen Euro Schaden verursacht.

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In Schwurgerichtsverfahren gab 2023 es einen versuchten Femizid, bei dem eine lebenslange Freiheitsstrafe verhängt wurde (noch nicht rechtskräftig, die Unschuldsvermutung gilt).

Die Jugendkammer behandelte ein versuchtes Tötungsdelikt in Verbindung mit einer Sexualstraftat durch einen 18-Jährigen. Es wurde eine Jugendstrafe von elf Jahren verhängt (Unterbringung in Sicherheitsverwahrung vorbehalten, Urteil noch nicht rechtskräftig).

Bei den allgemeinen Strafverfahren gab es eine Zunahmen im Bereich Enkeltrick/Schockanrufe. Die Verfahren mit den höchsten Schäden waren einmal 150.000 und einmal 90.000 Euro. Wegen Banden- und gewerbsmäßigen Betrugs wurden fünf Jahre, drei Monate (Beihilfe) bzw. fünf Jahre verhängt (Urteil noch nicht rechtskräftig).

Im Bereich Betäubungsmittelverfaren gab es neben mehreren größeren Verfahren ein Großverfahren mit erheblichen Mengen an Heroin, Methamphetamin und Kokain. Das Verfahren hat sich in der Hauptverhandlung über mehrere Monate hingezogen und hat mit Freiheitsstrafen von 14 Jahren und 13 Jahren und neun Monaten geendet (Urteil noch nicht rechtskräftig).

Was die Rechtsfolgen anbetrifft, hatte das Landgericht im vergangenen Jahr insgesamt drei Mal lebenslange Freiheitsstrafen (noch nicht rechtskräftig) verhängt: Mord, gefährliche Körperverletzung und versuchter Mord mit weiteren Delikten.

Weiterhin wurden 2023 im großen Umfang Einziehungen angeordnet, bei welchen Tätern Gewinne aus Straftaten entzogen werden. Es wurden Einziehungen im Gesamtvolumen von mehr als 14 Millionen Euro angeordnet, davon allein 11 Millionen aus dem Cybercrimeverfahren, 1,5 Millionen aus dem Betäubungsmittel-Großverfahren und im sechsstelligen Bereich aus den Komplexen Enkeltrickbetrug/Schockanrufe.

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Ausblick

Bis zum 01.01.2025 soll der Streitwert in Zivilsachen von 5.000 auf 8.000 € erhöht werden. Das hätte zur Folge, dass das Landgericht leicht entlastet werden würde.

Weiterhin soll die Zuständigkeit für Abschiebehaftsachen beim Amtsgericht Cham konzentriert werden, die im Moment bei den jeweiligen Amtsgerichten liegt. Die Sonderzuständigkeit würde sich auf mehrere Amts- und Landgerichtsbezirke erstrecken. Das würde bedeuten, dass das Landgericht Regensburg, das dem Amtsgericht Cham übergeordnet ist, als Beschwerdeinstanz zusätzlich belastet werden würde. Ob diese Regelung realisiert wird, muss noch im Laufe des Jahres entschieden werden. (lnw)

 


Die „Nachgefragt“-Reihe

  • gepostet am: Mittwoch, 27. März 2024

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