Nachgefragt | Landrätin spricht Klartext – Tanja Schweiger fordert: Asylsuchende sollen arbeiten

Nachgefragt | Landrätin spricht Klartext – Tanja Schweiger fordert: Asylsuchende sollen arbeiten

Landrätin Tanja Schweiger und Sachgebietsleiter Sicherheitsrecht Alexander Damm informieren zum Thema Asyl.

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Im Zeitraum von zehn Jahren hat sich die Ausländerzahl im Landkreis Regensburg von 12.000 auf 24.000 verdoppelt. Davon empfängt rund ein Viertel Asylleistungen. Laut der Landrätin des Landkreises Regensburg Tanja Schweiger sollen „Menschen, die zu uns kommen und bleiben dürfen, arbeiten und sich bei uns einbringen – das müssen wir als Gesellschaft formulieren dürfen.“ Die Landrätin informiert auf einer Pressekonferenz über die Asylzahlen im Landkreis und findet deutliche Worte.

„100 Neuzugänge pro Woche“

Landrätin Tanja Schweiger erklärt: „Die Menschen, die zu uns kommen, kommen zuerst in den Anker. Anfang des Jahres kam eine Person pro Tag. Das waren 30 im Monat. Mittlerweile kommt jede Woche ein Bus mit 25 Personen, das sind 100 im Monat, also die dreifache Menge. Wir haben insgesamt 1.000 Menschen in 100 Objekten dezentral untergebracht, die wir immer wieder anmieten in ImmoScout etc., suchen, anrufen, fragen oder per E-Mail. Wohnraum zu finden, ist sicherlich unser größtes Thema. Wir haben auch viel Wohnraum gefunden in dieser Region, in der wir unglaublichen Wohnungsdruck haben. Aber gesellschaftspolitisch sind wir damit belastet, dass die Strukturen nicht ausgelegt sind für so viele Menschen. Und es gibt keine Signale, dass ein Ende in Sicht ist.“

„Ukrainer: unkompliziert“

Schweiger: „Wir haben fast 200.000 Einwohner im Landkreis Regensburg. 6.000 davon sind Menschen mit Asylbezug. Da sind auch 1.800 Ukrainer dabei. Die waren schon mal deutlich mehr, die werden eher weniger. Die meisten Ukrainer haben sich selbst Wohnungen gesucht und sind relativ eigenständig in ihre Sprachkurse gekommen. Sie sind fast alle privat untergekommen. Es ist schon ein Thema, das natürlich auch ein bisschen nachwirkt, aber es ist nicht die große Belastung wie jede Woche 25 Asylbewerber aus Syrien.“ Laut Schätzung der Landrätin sind die anerkannten Flüchtlinge zu 80 % Syrer. Alexander Damm, Sachgebietsleiter Sicherheitsrecht am Landratsamt, ergänzt: Die restlichen Anerkannten kämen hauptsächlich aus dem arabischen Raum und aus Eritrea.

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Abnehmendes Verständnis für Flüchtlingswohnungen?

Laut Landrätin hätten die Menschen „immer weniger Verständnis“ dafür, dass Wohnraum für Geflüchtete gesucht werden müsse. „Was mich einfach sehr enttäuscht, ist, dass niemand die Situation innerhalb kurzer Zeit regeln kann. Es ist außerhalb der EU schwierig, es ist innerhalb der EU schwierig. Es gibt keine einfache Lösung und es wird dauern. Und deswegen ist es schwierig, wenn man eine Bundesregierung hat, die sich ein halbes Jahr gar nicht mit dem Thema befasst hat. Signale wie ‚Wir arbeiten daran, wir wollen jetzt kein ›Weiter so‹, wir müssen den Zuzug begrenzen.‘ hätte ich vor einem Jahr erwartet. Vielleicht wären wir dann heute schon ein bisschen weiter.“

Sendet Bundesregierung falsche Signale?

Schweiger: „Was ich ein bisschen schade finde von unserer Bundesregierung, ist, dass es wenig schnittstellenübergreifende/ressortübergreifende Zusammenarbeit gibt. Man hat von unserem Bundesarbeitsminister noch gar nichts zu dem Thema Asyl/Migration gehört – irgendeine Positionierung. Auch nichts von der Außenministerin. Eher Signale wie ‚wir nehmen auf‘ / Bundesaufnahmeprogramme. Und man hört immer wieder: ‚Man setzt auf Migration und auch auf Arbeitsmigration‘ – dazu fehlen mir einfach einschlägige Beschlüsse und ein Plan zur Umsetzung.“

„Arbeit soll sich lohnen und Nichtarbeit nicht“

Schweiger: „Es ist erfreulich, dass viele Asylbewerber schon arbeiten. Aber die Verfahren beim BAMF [Bundesamt für Migration und Flüchtling, Anm. d. Red.] sind kurz und die Leute beziehen schnell Bürgergeld. Und adäquate Arbeit muss man erst einmal finden, um besser dazustehen als mit dem Bürgergeld – gerade bei zunehmender Anzahl an Kindern und mit allen Sozialabgaben, Steuern etc. Wir kommen jetzt immer mehr in die Debatte ‚Anti-Bürgergeld‘. Das große Thema wird sein, die Anreize des Bürgergeldes so zu minimieren, dass die Menschen, die zu uns kommen, auch arbeiten wollen und klar wird, dass sich Arbeit lohnt und nicht arbeiten nicht.“

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Arbeit erst nach 2–3 Jahren?

Schweiger: „Außerdem kann es doch nicht sein, dass ich auch aufgrund von Kapazitätsproblemen ein halbes Jahr oder Jahr auf den Integrationskurs warten muss, dann ein Jahr quasi Vollzeit den Integrationskurs besuche, parallel noch einen Sprachkurs mache und faktisch erst nach zwei oder drei Jahren überhaupt am Arbeitsmarkt herangezogen werde. Genug Arbeit gibt es ja: Jeden Tag steht quasi ein Unternehmer da, der sagt: ‚Hast du nicht jemanden, der für mich arbeiten kann? Was ist denn mit deinen ganzen Asylbewerbern?‘ – ‚Ja, die müssen in einen Integrationskurs gehen, die können jetzt noch nicht arbeiten.‘ Das ist doch der Fehler im System. Wir sind stark geworden, weil wir jahrzehntelang auf die soziale Marktwirtschaft gesetzt haben. Das heißt, jeder bringt sich im Rahmen seiner Möglichkeiten so gut ein, wie er kann. Und nur der, der nicht kann, wird aus der Solidargemeinschaft unterstützt. Richtig wäre, dass man ab dem ersten Tag seinen Beitrag leisten und arbeiten muss.“

Wer ist nicht abschiebbar?

Im Landkreis gibt es 389 ausreisepflichtige Migranten mit Asylbezug. In Regensburg waren es heuer im August 163 (wir haben berichtet). Sachgebietsleiter Alexander Damm erklärt: Die Ausreisepflichtigen seien überwiegend nicht abschiebbar, „weil die Heimreisescheine fehlen. Weil die Pässe fehlen. Oder weil zum Beispiel das Kind einen Schutzstatus bekommen hat, die Eltern aber nicht. Dann werden die Eltern geduldet, sind also faktisch nicht abschiebbar.“

Einige wenige Integrationswillige?

Schweiger: „Von den Ausreisepflichtigen, die geduldet werden und nicht abgeschoben werden können, wohnen 25 privat. Die arbeiten – sonst könnten sie nicht privat wohnen. Es gibt auch Menschen, die willig sind und sagen: ‚Je mehr ich mich integriere und einbringe, umso mehr steigen meine Chancen, auch da bleiben zu können.‘“

2Landrätin Tanja Schweiger: Für Menschen, die zu uns kommen, solle sich Arbeit lohnen und Nichtarbeit nicht (Symbolbild).
Bild: © iStock.com/RadekProcyk

Sammelabschiebungen selten

Sachgebietsleiter Alexander Damm erklärt das Abschiebeprozedere: „In den letzten Jahren kamen relativ viele Iraker in die Gegend und da gab es an Allerheiligen mal wieder den ersten Sammelflieger in den Irak von Frankfurt aus. Darin saßen auch viele bayerische Iraker, die haben sozusagen jahrelang darauf gewartet. Diese Sammelabschiebungen gab es mit Beginn von Corona immer seltener. Vor Corona ging ja ungefähr einmal im Monat ein Flieger nach Afghanistan, einer nach Nigeria und einer nach Äthiopien. Das ist noch nicht wieder angelaufen. Früher gab es Phasen, da sind die Personen aus diesen Ländern nach Abschluss des Asylverfahrens ungefähr nach drei bis sechs Monaten abgeschoben worden.“

Klagen verzögern Abschiebungen

Schweiger: „Was ich schon die ganze Zeit kritisiert habe, sind die Klageverfahren in zwei Instanzen nach einer Ablehnung des Asylantrags. Die haben die Abschiebung im Schnitt etwa um 30 Monate verzögert.“

„Kein Asylrecht – darf nicht bleiben“

Schweiger: „Man muss sagen: Die, die kein Asylrecht haben, dürfen nicht dableiben. Ich glaube, bundesweit haben wir 300.000, die kein Asylrecht haben, aber ganz viele haben eine Duldung oder ein sonstiges Abschiebehindernis.“ Alexander Damm schätzt, dass etwa die Hälfte der Migranten ohne Asylrecht abgeschoben werden könnten. Landrätin Tanja Schweiger geht davon aus, dass es noch mehr sind. Sie fährt fort: „Viele Abschiebungen gelingen auch gar nicht, weil man die Menschen nicht antrifft, wenn man sie abholt. Vieles funktioniert nicht. Deswegen sollte man die Migration entweder im Vorfeld begrenzen oder die Menschen, die schon bei uns sind, in Arbeit bringen.“

Wir werden berichten. (lnw)

 


Die „Nachgefragt“-Reihe

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  • gepostet am: Dienstag, 14. November 2023

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