Das Bild zeigt eine lächelnde Frau auf dem dreibeinigen Schemel hinter der kleinen Ladentheke. Im Inneren des Raumes schleift ein schmächtiger Mann Schuhsohlen an einem mächtigen und Jahrzehnte alten Apparat. Diesen Anblick haben Generationen von Regensburgern gesehen, die ihre Schuhe zum bekanntesten Schuhmachermeister der Stadt in die Ortnergasse trugen. Jetzt hat Richard Eckert den Schusterhammer für immer aus der Hand gelegt: Am 11. März 2018 ist er gestorben, im neunzigsten Lebensjahr.
35 Quadratmeter, das war das Reich des Schusters und seiner Ehefrau Anna-Maria. 60 Jahre lang haben sie dort Sohlen aufgedoppelt, Absätze neu gemacht, Riemen geflickt. Alle gingen sie zu den Eckerts. Ex-OB Hans Schaidinger ließ dort besohlen, die frühere Regierungspräsidentin Brigitta Brunner, die Familie der früheren Bürgermeisterin Hildegard Anke. Der Schlegl-Hepp, früherer Eishockeyspieler und jetziger Bierkutscher, brachte seine Schuhe aus Weichs, die Computer-Spezialistin ihre aus Laaber, eine Exil-Regensburgerin nahm stets welche aus Norwegen mit, wenn sie in die Heimat reiste.
Akkurat und flink, wie es die wenigsten einem Mann im hohen Achtziger zutrauen, erledigte Richard Eckert sein Handwerk. Gelernt hatte er es im Böhmerwald, nach dem Krieg haben ihn die Russen und die Tschechen vertrieben. Mit 18 Jahren kam er 1946 nach Regensburg. Eine alte Ledertasche und ein Schusterhammer waren seine ganze Habe. Schnell fand er Arbeit in seinem Handwerk und bald schon machte er sich selbstständig. Erst hatten er und seine um fünf Jahre jüngere Frau eine kleine Werkstatt am Judenstein, dann ging es 1957 ans Eck zur Silbernen-Fisch-Gasse.
Seine Spezialität: Pfennigabsätze, die er am hohen Damenschuh für 3,50 Euro ausgebessert hat. Dazwischen ab und zu ein Schluck aus dem Krügerl mit dem Weltenburger, das stets im Eck beim Ofen stand, damit es nicht zu kalt war beim Trinken. Ihre Lieblingsarbeit: Geldsackerl! An der alten Adler-Schusternähmaschine hat sie die aus Lederresten zusammengenäht. „Da tun S‘ jeden Tag einen Euro rein, und wieviel ham S‘ dann nach einem Jahr? 365 Euro, genau. Da können S‘ dann in Urlaub fahren“, hat sie dem Stadtzeitungsmann erklärt, als der vor Jahren eine Geschichte über die lieben Schusterleut‘ von der Ortnergasse schreiben durfte. Die waren immer zusammen, am 10. Juni wären sie 68 Jahre miteinander verheiratet gewesen, vor drei Jahren war die Eiserne Hochzeit. „So lang haben wir es miteinander ausgehalten“, scherzte Anna-Maria-Eckert damals. Dabei gingen sie doch so liebevoll miteinander um: Fast ehrfurchtsvoll nannte sie ihn „Herr Eckert“, wenn sie von ihm sprach, für ihn war sie die „Mutti“. „Keine Nacht möchte ich woanders einschlafen als neben ihr“, sagte Richard Eckert zur Stadtzeitung – was für eine Liebeserklärung! Jeden Morgen zog sie ihm das Hemd an. „Ich glaube, ich könnte es mir gar nicht zuknöpfen“, verriet er.
Zwei Kinder gingen aus der Ehe hervor, auf beide war der Schustermeister stolz. Die Tochter war im Pfarrbüro in Emmeram, sie ist auch schon seit ein paar Jahren in Rente. Der Sohn ist Personal- und Verwaltungsreferent bei der Stadt geworden, der Vater bewunderte das Büro im Alten Rathaus: „Da hat er Möbel drin aus dem Museum. Ja, so schee scho.“ Fünf Enkel gibt es, darunter ein Ingenieur und eine Frau Doktor der Physik. Anfang März kam Urenkel Valentin zur Welt.
Letztes Jahr sperrten die Eckerts ihren Laden zu. „Der Mutti geht es nicht so gut“, hatte der Meister erklärt. „Sie hat sich den Oberschenkel gebrochen, muss sich erholen.“ Zum Schluss war es auch ihm zu viel, am 31. Dezember 2017 war Feierabend.
Keine drei Monate später ist Richard Eckert in den Schusterhimmel gekommen. Seine Tochter erzählte der Tageszeitung, dass er seine Frau noch um einen Tee gebeten hatte. Dann ist er für immer eingeschlafen. (ssm)